Für Unternehmen soll es schwerer werden, Steuern zu vermeiden, indem sie Geschäfte über sogenannte Steueroasen abwickeln.
Aus hib – heute im bundestag Nr. 654 vom 17.05.2021 ergibt sich:
Dies ist Ziel eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 19/28901 – PDF, 830 KB), mit dem sie einem Beschluss auf EU-Ebene nachkommt. Bei einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss bestand Einigkeit unter den Sachverständigen über dieses Ziel, an den einzelnen Maßnahmen allerdings gab es teils heftige Kritik.
Gleich eine Reihe von Sachverständigen wies darauf hin, dass es auch legitime Geschäfte mit sogenannten Steueroasen gebe, die nichts mit Steuervermeidung zu tun hätten. Arne Schnitger von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers führte als Beispiele Reise und Touristik sowie Schiff- und Luftfahrt auf. Hier tätige Unternehmen könnten Geschäftsbeziehungen zu Ländern auf der Schwarzen Liste der Europäischen Union, auf die sich der Gesetzentwurf bezieht, nicht ohne Weiteres aufgeben. Schnitger kritisierte darüber hinaus im Gesetzentwurf vorgesehene Nachweispflichten, die in der Praxis kaum zu erfüllen seien, und forderte Änderungen, um „das Gesetz anwendbar zu machen“.
Deutlich kritischer noch äußerten sich acht Wirtschaftsdachverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der EU-Rat habe in seinem Beschluss vier mögliche Maßnahmen gegen Steueroasen genannt, von denen jedes Mitgliedsland eine umsetzen müsse. Die Bundesregierung wolle nun aber alle vier Maßnahmen umsetzen. Diese „überschießende“ Regulierung stelle für das „Exportland Deutschland“ einen Wettbewerbsnachteil dar, monierte die Sachverständige Monika Wünnemann vom Bundesverband der Deutschen Industrie, die für die acht Verbände an der Anhörung teilnahm. Wenn Deutschland zu sehr vorpresche, könne dies zu Standortverlagerungen führen, warnte sie. Die Wirtschaftsverbände sehen einige der geplanten Regelungen zudem als verfassungswidrige Eingriffe in die unternehmerische Handlungsfreiheit und das Eigentumsrecht.
Ein „Kompliment an den Gesetzgeber“ machte dagegen Florian Köbler von der Deutschen Steuergewerkschaft. Der Entwurf sei „sehr zielgenau gegen Steuervermeidung“. Dass Deutschland damit in der EU eine „Vorreiterrolle“ habe, bewertete er positiv. Allerdings befand Köbler die Fristen von bis zu vier Jahren zur Anwendung der Vorschriften für zu lang. Außerdem bedauerte er, dass das Gesetz nur auf die Steueroasen Anwendung finden soll, die in einer „Schwarzen Liste“ der EU aufgeführt sind. „Wir wissen, dass es eine Reihe weiterer Steueroasen gibt“, sagte Köbler, „auch in der EU“.
Auch Andreas Musil von der Universität Potsdam nannte es bedauerlich, dass die erfassten Territorien auf der „Schwarzen Liste“ nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Mitgliedstaaten darstellten. Dies sei aber hinzunehmen vor dem Hintergrund, dass der Gesetzentwurf auf einem abgestimmten Verhalten der EU-Mitgliedstaaten beruht, was die Wirksamkeit der Maßnahmen erhöhe. Auch zur rechtlichen Absicherung innerhalb der EU sei es richtig, sich auf die „Schwarze Liste“ zu beschränken. Dass die einzelnen Maßnahmen stufenweise, mit unterschiedlichen Fristen, greifen sollen, nannte Musil richtig, um legitime Geschäftstätigkeiten „nicht zu erwürgen“.
Deborah Schanz von der Ludwig-Maximilians-Universität München nannte es „nicht unproblematisch“, dass der Regierungsentwurf „weit über die von der EU aufgestellten Mindestanforderungen hinaus“ gehe. Das Verbot, in den aufgeführten Ländern getätigte Betriebsausgaben und Werbungskosten steuerlich abzuziehen, „kommt einem Geschäftsverbot gleich“, monierte Schanz. Sie glaube, dass dies nicht verfassungsgemäß ist. Im übrigen sei der Zeitpunkt der Gesetzgebung ungünstig, da der Staatenverbundes OECD kurz vor der Einigung über eine weltweite Mindeststeuer stehe.
Dies sah Lorenz J. Jarass von der Hochschule RheinMain Wiesbaden anders. „Es braucht nationales Vorgehen, um zu international harmonisiertem Vorgehen zu kommen“, wandte er ein. Allerdings befand Jarass, der Entwurf sei „unnötig kompliziert und ermöglicht Umgehungen“. Alle Erträge aus Steueroasen sollten ausnahmslos der vollen deutschen Besteuerung unterliegen, und Zahlungen an Steueroasen sollten ausnahmslos nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können. Durch viele Ausnahme- und Sonderregelungen werde das Gesetz zu einem „Bürokratiemonster“.
Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit gab zu bedenken, dass die in der „Schwarzen Liste“ der EU aufgeführten Länder nach Schätzungen des Tax Justice Network für weniger als zwei Prozent der globalen Steuerverluste durch Steuervermeidung verantwortlich seien. Damit werde das neue Gesetz „weitgehend wirkungslos“. Trautvetter plädierte daher für eine deutliche Ausweitung der Liste.