Liste der EU-Straftatbestände soll um Hetze und Hasskriminalität erweitert werden

10. Dezember 2021 -

Hetze und Hasskriminalität haben in Europa massiv zugenommen und sind – offline und online – zu einem besonders besorgniserregenden Phänomen geworden.

Aus EU-Aktuell vom 09.12.2021 ergibt sich:

Die EU-Kommission hat deshalb am 09.12.2021 eine Initiative vorgelegt, die darauf abzielt, Hetze und Hasskriminalität in die Liste der EU-Straftatbestände aufzunehmen. Derzeit gibt es noch keine Rechtsgrundlage, die es erlauben würde, Hetze und Hasskriminalität auf EU-Ebene unter Strafe zu stellen. Die bestehende Liste der EU-Straftatbestände, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufgeführt sind, muss erweitert werden, um dafür zu sorgen, dass es für die Festlegung von Straftatbeständen und Strafen gemeinsame Mindestvorschriften gibt, die in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Die heutige Initiative ist der erste Schritt zur Erweiterung der Liste der EU-Straftatbestände. Als nächster Schritt müssten dann die Mitgliedstaaten die Initiative billigen, bevor die Kommission einen Legislativvorschlag vorlegen kann.

Die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission Věra Jourová erklärte: „Für Hass gibt es in Europa keinen Platz. Er widerspricht unseren Grundwerten und unseren Grundsätzen. Wir müssen auf Ebene der EU tätig werden, um sicherzustellen, dass Hass überall in Europa in gleicher Weise unter Strafe gestellt wird.“

EU-Justizkommissar Didier Reynders erklärte dazu: „Wir brauchen eine entschlossene Antwort auf die Herausforderungen, die durch Hetze und Hasskriminalität in der gesamten EU entstehen: jetzt und in Zukunft. Die heutige Initiative ist ein wichtiger Schritt hin zu einem wirksameren europäischen Vorgehen gegen solche Bedrohungen des Pluralismus und der Inklusivität. Wir werden nicht zulassen, dass unsere Demokratien durch derartige Phänomene geschwächt werden.“

Die wichtigsten Punkte der Mitteilung:

In der heutigen Initiative wird unter Berücksichtigung der in Artikel 83 Absatz 1 AEUV festgelegten Kriterien belegt, welche Gründe für die Aufnahme von Hetze und Hasskriminalität in die Liste der EU-Straftatbestände sprechen:

  • Grenzüberschreitende Dimension von Hetze und Hasskriminalität: Hetze im Internet verbreitet sich schnell und ist für alle überall zugänglich. Die Ideologien hinter Hetze und Hasskriminalität können international entwickelt und rasch online verbreitet werden. Hasskriminalität kann von Netzwerken mit Mitgliedern aus mehreren Ländern begangen werden.
  • Hetze und Hasskriminalität als Kriminalitätsbereich: Die Kommission ist der Auffassung, dass Hetze und Hasskriminalität ein Kriminalitätsbereich sind, da ihnen ein wesentliches Merkmal gemein ist, und zwar ,Hass‘ gegen Personen oder Gruppen von Personen, die ein geschütztes Merkmal teilen (oder als dieses teilend wahrgenommen werden).
  • Hetze und Hasskriminalität als ein Bereich besonders schwerer Kriminalität: Hetze und Hasskriminalität sind besonders schwere Straftatbestände, da sie die gemeinsamen Werte und Grundrechte der EU untergraben, wie sie in den Artikeln 2 und 6 des Vertrags über die Europäische Union sowie in der Charta verankert sind. Sie haben schädliche Auswirkungen auf Einzelne, ihre Gemeinschaften und die Gesellschaft insgesamt.
  • Entwicklungen im Bereich der Kriminalität: Aufgrund verschiedener wirtschaftlicher, sozialer und technologischer Veränderungen und Entwicklungen ist eine stetige Zunahme dieser beiden Phänomene zu beobachten. Die COVID-19-Pandemie war einer der Faktoren, die zu dieser Zunahme beigetragen haben.
  • Keine Alternativen zur Erweiterung der Liste der EU-Straftatbestände: Hetze und Hasskriminalität werden in den EU-Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße unter Strafe gestellt. Nur indem Hetze und Hasskriminalität in die Liste der EU-Straftatbestände aufgenommen werden, kann ein wirksamer und umfassender strafrechtlicher Ansatz auf EU-Ebene sowie ein kohärenter Schutz der Opfer solcher Handlungen ermöglicht werden.
  • Wirksamer und umfassender strafrechtlicher Ansatz auf EU-Ebene sowie ein kohärenter Schutz der Opfer solcher Handlungen ermöglicht werden.

Nächste Schritte

Der Rat muss nach Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig einen Beschluss annehmen, in dem Hetze und Hasskriminalität als weiterer Kriminalitätsbereich eingestuft werden, der den Kriterien des Artikels 83 Absatz 1 AEUV entspricht.

Anschließend kann die Kommission den Erlass von Rechtsvorschriften zur Festlegung von Mindestvorschriften für die Definitionen und Sanktionen in Bezug auf Hetze und Hasskriminalität vorschlagen, die vom Europäischen Parlament und vom Rat nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden.

Hintergrund

Die heute veröffentlichte externe Studie bestätigt das Ausmaß und die besorgniserregende Entwicklung von Hetze und Hasskriminalität. Während der Pandemie hat die Intensität des Hasses, der beispielsweise gegen Roma, Juden, Muslime und Personen asiatischer Herkunft bzw. gegen Personen, die als solche wahrgenommen werden, ausgedrückt wurde, einschließlich rassistischer Angriffe und Prügelattacken, Mobbing unter Anwendung von Gewalt, Drohungen und rassistische Beschimpfungen zugenommen. Den Quellen ist zu entnehmen, dass 52 Prozent der jungen Frauen und Mädchen Opfer von Online-Gewalt, einschließlich Drohungen und sexueller Belästigung, waren, und dass Menschen mit Behinderungen stärker Gefahr laufen, Opfer von Gewaltverbrechen, einschließlich Hassverbrechen, zu werden und Belästigungen ausgesetzt zu sein.

Hetze und Hasskriminalität sind mit den in Artikel 2 des EU-Vertrags verankerten europäischen Grundwerten unvereinbar. Gemäß Artikel 83 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können das Europäische Parlament und der Rat Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftatbeständen und Strafen in Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension festlegen. Zu diesen Bereichen zählen beispielsweise Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern. Je nach Entwicklung der Kriminalität kann der Rat einen Beschluss erlassen, in dem andere Kriminalitätsbereiche bestimmt werden, damit die Kommission in einem zweiten Schritt einen soliden Rahmen zur Bekämpfung von Hetze und Hasskriminalität auf EU-Ebene vorschlagen kann.

Auf EU-Ebene gibt es durch den Rahmenbeschluss des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bereits einen Rahmen für eine nachdrückliche gemeinsame Reaktion auf rassistische und fremdenfeindliche Hetze und Hasskriminalität. Mit dem Rahmenbeschluss soll sichergestellt werden, dass schwere Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der gesamten EU mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten, Hetze, d. h. die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass aus Gründen der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft unter Strafe zu stellen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten bei anderen Straftaten als Hetze sicherstellen, dass solche rassistischen und fremdenfeindlichen Beweggründe als erschwerender Umstand betrachtet werden oder dass diese Beweggründe bei der Festlegung der Strafen berücksichtigt werden können.

Die Kommission unterstützt die Bemühungen der Mitgliedstaaten um eine wirksame Umsetzung des Rahmenbeschlusses durch die Arbeit der „Hochrangigen Gruppe zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz“.

Die heute vorgelegte Initiative ist Teil eines breiteren Maßnahmenpakets der EU zum Vorgehen gegen illegale Hetze, gewalttätige extremistische Ideologien und Terrorismus im Internet, zu dem auch der EU-Verhaltenskodex für die Bekämpfung illegaler Hassrede im Internet, das vorgeschlagene Gesetz über digitale Dienste, die Verordnung zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte und das EU-Internetforum gehören.

Diese Initiative wird den EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020–2025, die Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens in der EU und die Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 unterstützen.