Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. März 2024 zum Aktenzeichen IV ZR 68/22 über die gerichtliche Kontrolle von Maßnahmen, mit denen Krankenversicherer den Umfang einer Beitragserhöhung limitieren, entschieden. Danach bleibt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Nachkalkulation, die zu einer Beitragserhöhung führt, unabhängig davon wirksam, ob die – nachgelagerte – Limitierungsmaßnahme fehlerfrei erfolgt ist. Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass die Limitierungsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 067/2024 vom 20.03.2024 ergibt sich:
Sachverhalt und Prozessverlauf:
Der Kläger wendet sich gegen Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil zum Teil abgeändert, aber ebenfalls unter anderem die Unwirksamkeit einer Prämienanpassung festgestellt und die Beklagte zur Rückzahlung der darauf gezahlten Prämienanteile verurteilt. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten, während sich der Kläger mit der Anschlussrevision gegen die zeitliche Beschränkung der Feststellung wendet, dass er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist.
Die Entscheidung des Senats:
Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts, das die Prämienanpassung für materiell unwirksam gehalten hat, nicht bestätigt.
Eine Prämienanpassung vollzieht sich in zwei Schritten. Die Prämie wird zunächst anhand der geänderten Rechnungsgrundlagen neu kalkuliert; in einem Gerichtsverfahren hat der Versicherer zu beweisen, dass diese Nachkalkulation den Anforderungen des § 155 Abs. 1 VAG entspricht. In einem zweiten Schritt kann die Beitragserhöhung gemäß § 155 Abs. 2 VAG durch die Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen für Beitragserstattungen limitiert werden.
Bei einer gerichtlichen Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen sind lediglich besonders schwerwiegende Verstöße gegen die schutzwürdigen Interessen der Versicherten geeignet, einen materiellen Verstoß gegen den sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden Prüfungsmaßstab für die Limitierungsmaßnahmen zu begründen. Eine Motiv- oder Begründungskontrolle der vom Versicherer getroffenen Limitierungsentscheidung findet nicht statt. Die Fehlerhaftigkeit einer Limitierungsmaßnahme lässt die materielle Wirksamkeit einer Prämienanpassung, die im Übrigen auf einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Nachkalkulation beruht, unberührt. Diese führt lediglich dazu, dass dem einzelnen Versicherungsnehmer, soweit er dadurch konkret beeinträchtigt ist, ein individueller Anspruch auf (weitere) Limitierung, d.h. auf dauerhafte Absenkung seiner Prämie zustehen kann.
Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast dafür, dass die Limitierungsentscheidung den Anforderungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht entspricht und er hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer die internen Verhältnisse des Versicherers nicht kennen kann, führt allerdings zu einer sekundären Darlegungslast des Versicherers. Er hat zu den Parametern, die der Limitierungsentscheidung zugrunde liegen, näher vorzutragen. Diese Darlegungslast beinhaltet jedoch nicht die Vorlage eines umfassenden, sich auf alle parallel mit Limitierungsmitteln bedachten Tarife erstreckenden Limitierungskonzepts.
Die Revision hatte auf dieser Grundlage Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit der Klage darin stattgegeben worden war. Soweit es die Wirksamkeit der Prämienanpassung betrifft, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es die Prüfung der Nachkalkulation der Prämie nachholen und, falls diese Prüfung keine Fehler ergibt, die Limitierungsmaßnahme unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs neu beurteilen kann. Die Anschlussrevision des Klägers führte aufgrund eines Verfahrensfehlers des Berufungsgerichts ebenfalls zur Aufhebung und Zurückverweisung.