Das Oberlandesgericht Braunschweig hat am 05.10.2020 zum Aktenzeichen 2 UF 185/19 entschieden, dass eine Lebenspartnerin nach der Trennung unter bestimmten Voraussetzungen ein Umgangsrecht mit den während der Lebenspartnerschaft geborenen Kindern auch gegen den Willen der Kindesmutter, die die ehemalige Lebenspartnerin ist, hat.
Aus der Pressemitteilung des OLG Braunschweig Nr. 30/2020 vom 11.11.2020 ergibt sich:
Die Beteiligten des familienrechtlichen Verfahrens waren durch eine Lebenspartnerschaft verbunden, wobei diese auch von dem Wunsch getragen war, zusammen Kinder großzuziehen. Im Wege gemeinsam beschlossener Fremdinseminationen gebar die Kindesmutter zwei Söhne, die nach der Trennung der beiden Lebenspartnerinnen bei ihr verblieben. Nachdem zunächst Umgangskontakte zwischen den Kindern und der anderen Lebenspartnerin stattfanden, kam es zu Konflikten und zur Ablehnung des Umgangs durch die Kindesmutter.
Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass die Lebenspartnerin ein Recht auf regelmäßigen Umgang mit den Söhnen hat.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist im Rahmen eines Zusammentreffens der Lebenspartnerin und der Kinder bei Gericht deutlich erkennbar gewesen, dass sie für beide Kinder eine enge Bezugsperson darstellt. Überdies habe sie durch die Betreuung der Kinder tatsächliche Verantwortung für sie übernommen. Der Umgang diene auch dem Kindeswohl, da er die Bindung zu der Lebenspartnerin erhalte und den Kindern zudem ermögliche, im Sinne einer Identitätsfindung Klarheit über ihre Familienverhältnisse sowie über ihre eigene Herkunft und Entstehung zu erlangen, an der die Lebenspartnerin maßgeblich beteiligt gewesen sei. Die ablehnende Haltung der Kindesmutter könne dagegen nicht dazu führen, den Umgang zu verhindern, weil sie weder auf ernstzunehmenden noch auf am Wohl der Kinder orientierten Motiven beruhe.
Die derzeitige Gesetzeslage sehe zwar in vielen Bereichen eine Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft mit der nichtgleichgeschlechtlichen Ehe vor, nicht jedoch hinsichtlich der Abstammungsregeln. Anders als bei einem Kind, das in einer Ehe geboren werde, werde zwischen einem Kind und einer eingetragenen Lebenspartnerin, die nicht die Kindesmutter sei, keine rechtliche Eltern-Kind-Beziehung begründet. Eine solche könne nach den geltenden Vorschriften ausschließlich durch eine Adoption herbeigeführt werden. Diese gesetzgeberische Entscheidung wirke sich auf viele verschiedene Ebenen der Beziehung zwischen dem Kind und der Lebenspartnerin aus, insbesondere auch auf das Recht, nach einer Trennung Umgangskontakte mit dem Kind durchzusetzen. Als Bestandteil des natürlichen Elternrechts genieße das Umgangsrecht eines von den Kindern getrenntlebenden rechtlichen Elternteils verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 6 Abs. 2 GG). Daraus folge, dass Einschränkungen dieses Umgangsrechts nur in Betracht kämen, wenn dessen Ausübung dem Wohl des Kindes widerspräche. Bei einem während einer Lebenspartnerschaft geborenen Kind gelten hingegen die engeren Voraussetzungen des § 1685 BGB. Eine Lebenspartnerin als „sozialer“ Elternteil könne den Umgang danach nur dann verlangen, wenn sie als Bezugsperson zu qualifizieren sei und der Umgang dem Kindeswohl diene. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des OLG Braunschweig in dem zu entscheidenden Verfahren vor, weshalb der Lebenspartnerin das Recht auf einen regelmäßigen Umgang zugesprochen wurde.