Im Zusammenhang mit der Schließung des hier in Rede stehenden Betriebs sind aktuell bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf 252 Verfahren bei verschiedenen Kammern anhängig.
Diese betreffen überwiegend die ersten Kündigungen vom 16.12.2022 zum 31.03.2023.
Weitere Verfahren betreffen von der Beklagten vorsorglich ausgesprochene Folgekündigungen zum 30.06.2023. Die Kläger verfolgen zudem in einzelnen Verfahren gemeinsam mit ihren Kündigungsschutzanträgen Zahlungsansprüche.
Am 09.01.2024 wird die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf die ersten Verfahren verhandeln. Neben dem Verfahren 3 Sa 529/23 stehen vier weitere Verfahren zur Verhandlung an (3 Sa 436/22, 3 Sa 532/23, 3 Sa 534/23 und 3 Sa 687/23). Die weiteren Verfahren sind überwiegend im Januar und Februar 2024 terminiert.
Aus der Pressemitteilung des LAG Düsseldorf Nr. 1/2024 vom 08.01.2024 ergibt sich:
Der Kläger war bei der Beklagten, welche Aluminiumgussteile herstellte und ver-trieb, seit dem 01.02.2012 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigte in ihrem einzigen Betrieb zuletzt knapp 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Am 01.03.2022 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Der Sachwalter und der Gläubigerausschuss stimmten der Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 31.12.2022 zu.
Nachdem die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs am 24.11.2022 durch Spruch der Einigungsstelle für gescheitert erklärt wurden, stellte die Beklagte am 28.11.2022 Anträge auf behördliche Zustimmungen zur betriebsbedingten Kündigung nach dem SGB IX (schwerbehinderte Menschen) und BEEG (Elternzeit). Den Beschäftigten wurde die Gelegenheit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Im Dezember 2022 sprach die Beklagte gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus, soweit das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aus anderen Gründen feststand.
Alle Mitarbeitenden, auch der Kläger dieses Verfahrens, wurden ab dem 01.01.2023 unwiderruflich freigestellt. Ausgenommen waren die Beschäftigten des Abwicklungsteams, das ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage 53 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umfasste, wobei gegenüber dreizehn Personen Kündigungen zum 31.03.2023 und gegenüber den übrigen vierzig Personen Kündigungen zum 30.06.2023 ausgesprochen wurden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16.12.2022 zum 31.03.2023.
Die vom Kläger hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Solingen Erfolg. Die Kündigung sei zum einen aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) rechtsunwirksam. Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung habe der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündige. Es seien grundsätzlich die Arbeitnehmer mit den schwächsten Sozialdaten mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Die Beklagte habe hier die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet habe. So habe sie diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen, zu denen die Beklagte nur unvollständig vorgetragen habe. Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl habe die Beklagte nicht widerlegt.
Die Kündigung sei außerdem wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungszeige gemäß § 17 KSchG i.V.m. § 134 BGB rechtsunwirksam. In der gegenüber der Agentur für Arbeit angegebenen Massenentlassungsanzeige habe die Be-klagte entgegen § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht ordnungsgemäß mitgeteilt.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Kündigungsschutzklage.