LAG Hamm bearbeitet rechtsmissbräuchliche Eingaben nicht

10. September 2024 -

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Beschluss vom 30.08.2024 zum Aktenzeichen 1 SHa 16/24 entschieden, dass die Gerichte rechtsmissbräuchliche Eingaben nicht beantworten müssen und werden.

Antragsteller hat das Landesarbeitsgericht nach den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO ersucht, das örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen.

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist – unabhängig von sonstigen Zulässigkeitsfragen – missbräuchlich und war damit zu verwerfen.

Mit dem VG Wiesbaden, das sich in seiner Entscheidung vom 05.02.2024 (6 K 1/24.WI), die den Antragsteller betrifft, auf die Entscheidung des BVerfG vom 19.04.2021 (1 BvR 2552/18, juris Rn 15) bezieht, ist anzunehmen, dass sich ein Gericht grundsätzlich mit jedem Vorbringen inhaltlich befassen und es bescheiden muss. Anderes gilt, wenn Anträge der Prozessparteien nicht nur offensichtlich aussichtslos erscheinen, sondern immer demselben Muster folgen, eine bereits förmlich entschiedene oder bereits anderweitig bestehende Auseinandersetzung verlängern und die Prozessbeteiligten mit Nachteilen überziehen, etwa entstehenden Prozesskosten. Offensichtlich sinnlose Inanspruchnahmen gerichtlicher Arbeitskapazitäten sind zu vermeiden, nicht zuletzt, um den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Rechtsgewährungsanspruch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger erfüllen zu können. Wenn auch ein Gericht auf die Prüfung eines ihm vorgebrachten Begehrens nicht vollständig verzichten darf, wird es gleichwohl in eng umgrenzten Fällen von einer förmlichen Entscheidung weiterer Eingaben abzusehen können, sofern für das Gericht sichtbar wird, dass das ihm vorgetragene Begehren nicht wenigstens ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse erkennen lässt. Die aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Rechtsschutzgarantie erstreckt sich nicht darauf, eine förmliche Entscheidung auch auf Eingaben zu erhalten, die missbräuchlich, offensichtlich wiederholend oder sinnlos gestellt werden.

Das nunmehrige Ersuchen des Antragstellers, das örtlich zuständige Arbeitsgericht für die vor dem Arbeitsgericht Essen erhobenen Anträge zu bestimmen, lässt dieses Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse nicht erkennen. Entscheidet das Landesarbeitsgericht gleichwohl förmlich, mag dies dem Antragsteller vor Augen führen, warum er künftig auf Eingaben dieser Art keine gerichtlichen Antworten erhalten wird.

Der Antrag ist missbräuchlich erhoben. Er lässt ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse nicht erkennen. Offensichtlich geht es dem Antragsteller darum, justizielle Arbeitskapazitäten zur Erfüllung anderer als Rechtsverfolgungsinteressen einzusetzen.

Das rechtsmissbräuchliche Prozess- und Eingabeverhalten des Antragstellers ist der erkennenden Kammer aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden und den dortigen Tatsachenfeststellungen gerichtsbekannt. Es zeigt sich wie folgt:

Keine Vorbefassung – Der Antragsteller überzieht die beklagte Partei ohne vorgerichtliche Auseinandersetzung.

Schüren von „Nebenkriegsschauplätzen“ und Erheben von Ablehnungsanträgen – Das eigentliche Klageziel verfolgt der Antragsteller nur nebenbei. Nach Klageeingang erfolgen vielfältige Eingaben zur Prozesskostenhilfe, zur Befangenheit, zur Dienstaufsicht. Es werden verwaltungsgerichtliche Klagen erhoben, die gegen prozessleitende Verfügungen gerichtet sind.

Desinteresse am eigentlichen Klageziel – Eine zügige Bearbeitung des Rechtsschutzziels ist nicht möglich. Durch vielfache Eingaben und unübersichtliche Schreiben ist ein geordnetes Bearbeiten ausgeschlossen.

Kombination von Klage und Eilanträgen – Klagen werden mit Eilanträgen kombiniert, ohne dass eine besondere Eilbedürftigkeit ersichtlich ist.

Anrufung unzuständiger Gerichte und Aufblähen der Passivseite.

Streuung in der Breite.

Nutzung des elektronischen Bürger- und Organisationen-Postfach (eBO).

Einschüchterung der Justizbediensteten durch herabsetzende Äußerungen.

Das dem Antrag zugrundeliegende Prozessgeschehen, die der Kammer zur Entscheidung angefallenen weiteren Anträge und die in der Prozessgeschichte dieses Beschlusses wiedergegebenen Klagen und Anträge des Antragstellers stellen sich als eine Fortsetzung seiner bereits vom Verwaltungsgericht Wiesbaden festgestellten rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme justizieller Arbeitskapazitäten dar.

So ist seinen vielseitigen, unsortierten Eingaben nicht zu entnehmen, dass er seine (vermeintliche) Rechtsposition im Vorfeld mit den jeweiligen Passivparteien zu klären versucht hat. Er klagt sofort.

Der Kläger „schürt Nebenkriegsschauplätze“. So hat er im Verfahren 1 SHa 13/24, das nach Eingang seines Antrags vom 15.07.2024 angelegt worden ist, auf den zwei Tage später erteilten rechtlichen Hinweis, der in seinem Sinne ergangen war, noch am selben Tag reagiert und einen „Befangenheitsantrag“ gegen den Vorsitzenden Richter erhoben. Diesen Ablehnungsantrag hat er zunächst wiederholt, sodann wenige Tage später nach Erhalt einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters als „Missverständnis“ bezeichnet, um ihn einen Tag später zurückzunehmen. Zurückgenommen hat er an diesem Tag auch das Ersuchen um Bestimmung des örtlichen Arbeitsgerichts an sich, nicht ohne zu versäumen, dem Gericht und den beklagten Parteien mitzuteilen, sein Antrag habe sich damit erledigt, eine Befassung mit dem Antrag sei ihnen nun nicht mehr möglich.

Der Antragsteller, der an den westfälischen Arbeitsgerichten eine große Zahl an Verfahren anhängig hat oder hatte, wendet sich mit verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen richterliche und gerichtliche Maßnahmen, so vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in den Verfahren 12 L 1205/24 sowie 12 K 3694/24 gegen die Sicherheitskontrollen, die bei Betreten des Gerichts ausgelöst werden. Im Verfahren 12 L 1221/24 und 12 K 3795/24, wiederum Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, begehrt der Antragssteller sinngemäß, dem beklagten Land möge untersagt werden, in Bezug auf ihn zu behaupten, der Beschluss des VG Wiesbaden vom 05.02.2024 (6 K 1/24.WI, juris) beziehe sich auf ihn. Die arbeitsgerichtlichen Verfahren werden vom Antragsteller mit Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die entscheidenden Richter begleitet.

Der Antragsteller ist am eigentlichen Ausgang des eingeleiteten Rechtsstreits nicht interessiert. Sämtliche Eingaben des Klägers sind befüllt mit aus dem Zusammenhang gerissenen, unverständlichen Rechtsprechungszitaten oder rechtlichen Hinweisen. Dies macht eine Konzentration auf das klägerische Begehren nicht oder kaum möglich, erschwert die Durchdringung des Prozessstoffes und lässt eine zügige Bearbeitung nicht zu, was insbesondere für den arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatz inakzeptabel ist. Der Antragsteller erhebt Anträge, löst erheblichen Arbeitsaufwand aus und reagiert selbst auf rechtliche Hinweise, die sein Begehren ernst nehmen, mit weiterhin erschwerenden Anmerkungen und Ausführungen.

Der Antragsteller gibt trotz erfolgter rechtlicher Hinweise eine ladungsfähige Anschrift nicht an und schiebt seine persönliche Sorge um Verfolgung vor, die er angeblich befürchtet. Zuletzt nimmt er Anträge schlicht zurück, um sie im selben Gewand erneut zu erheben, so geschehen in dem in der Prozessgeschichte dieses Beschlusses wiedergegebenen Verfahren 1 SHa 13/24. Dieses am 15.07.2024 vom Antragsteller eingeleitete, vom Gericht mit rechtlichen Hinweisen und dienstlichen Stellungnahmen begleitete, vom Antragsteller mit Ablehnungsanträgen versehene Verfahren wurde bereits am 19.07.2024 durch Antragsrücknahme beendet. Bis dahin hat es sich mit zahlreichen, z.T. doppelt eingereichten Eingaben des Antragstellers befüllt und „aufgebläht“. Nun ist sein Antrag erneut anhängig, wenn er auch andere Gerichte betrifft.

Der Antragsteller kombiniert Klageverfahren mit einstweiligen Verfügungsverfahren, ohne auf die besondere Eilbedürftigkeit einzugehen. Dies gilt für alle Verfahren, mit denen der Antragsteller vor der erkennenden Kammer um Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts ersucht hat.

Der Antragsteller ruft Gerichte mehr oder weniger nach Belieben an und nimmt dabei eine doppelte Rechtshängigkeit in Kauf. Er verklagt dieselben Parteien immer wieder an verschiedenen Gerichten. Mit seinen Eingaben „bauscht“ der Antragsteller die Verfahren unnötig auf und sucht nach Möglichkeiten, um die Passivseite durch Inanspruchnahme weiterer Personen, etwa der Geschäftsführer der beklagten Gesellschaften, zu vergrößern.

Der Antragsteller überzieht Justizbedienstete mit herabsetzenden Äußerungen, so etwa den Vorsitzenden der entscheidenden Kammer mit der Bemerkung, seine Ausführungen seien „offensichtlich absurd“.

Der Antragsteller nutzt die erleichterten digitalen Möglichkeiten, Gerichte zu erreichen. Er versendet seine Eingaben und Schreiben unter Verwendung des elektronischen Bürger- und Organisationen-Postfachs (eBO). Dabei pervertiert er Sinn und Zweck der digitalen Kommunikation zu Gerichten, die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürgern eröffnet ist. Sie soll nicht zuletzt den Zugang zur Justiz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG erleichtern. Der Antragsteller stellt dies auf den Kopf und überhäuft die Gerichte als „Intensivpetent“ mit einer Unzahl an digitalen Eingaben.

Das Verhalten des Antragstellers, mit dem er nun die westfälischen Arbeitsgerichte und auch das Landesarbeitsgericht überzieht, stellt sich nach alledem als Perpetuierung des bereits in anderen Gerichtsbarkeiten gezeigten und vom Verwaltungsgericht Wiesbaden in seinem Beschluss vom 05.02.2024 (6 K 1/24.WI, juris) eindrucksvoll belegten Vorgehens des Antragstellers dar. Es ist eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme gerichtlicher Ressourcen. Eine solche Inanspruchnahme verpflichtet die Gerichte nicht zu einer materiellen Entscheidung.

So schließt sich das Landesarbeitsgericht auch in dieser Hinsicht dem Verwaltungsgericht Wiesbaden an, das auf die Rechtsprechung der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte und diejenige des Bundesgerichtshofs verwiesen hat. Substanzlose und offensichtlich aussichtslose Anträge oder Eingaben, durch die die Arbeitskapazität des Gerichts rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen wird, müssen – und sollen – nicht beschieden werden. Eine Entscheidung stellte eine unverhältnismäßige und nicht hinnehmbare Behinderung der Erfüllung justizieller Aufgaben dar (VG Wiesbaden 05.02.2024 – 6 K 1/24.WI, juris, unter Verweis auf BGH 31.01.2019 – III ZA 34/18, juris Rn.13; Bayerischer VGH 14.03.1990 – 5 B 89.3542, juris Rn. 11; VGH Baden-Württemberg 11.07.2016 – 1 S 294/16, juris, Rn. 44 ff.; LSG Baden-Württemberg 10.08.2015 – L 12 AS 2359/15 WA, juris Rn. 11 ff.; BFH 27.11.1991 – III B 566/90, juris Rn 23).

Der Nachweis systematischen Missbrauchs prozessualer Rechte durch den hiesigen Antragsteller lässt vermuten, dass auch künftige Eingaben rechtsmissbräuchlich sind.

Wenn auch der nunmehrige Antrag beschieden worden ist, wird sich der Antragsteller vergegenwärtigen müssen, dass die Gerichte ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG angesichts der Vermutung rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bereits dann ausreichend nachgekommen sind, wenn sie formlos geprüft haben, ob die von ihm neuerlich vorgebrachte Anliegen entgegen der bestehenden Missbrauchsvermutung ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse erkennen lassen (vgl. VG Wiesbaden 05.02.2024 – 6 K 1/24.WI, juris, unter Verweis auf BVerfG 19.04.2021 – 1 BvR 2552/18, juris Rn. 7).

Ist dies nicht erkennbar, werden die Gerichte die Eingaben des Antragstellers zur Akte nehmen können und nichts weiter veranlassen müssen. Sie werden selbst auf eine informatorische Anhörung des Prozessgegners verzichten können, zumal zu bedenken ist, dass die Anträge und Klagen, die der Antragsteller erhebt, häufig auf der Seite der Beklagten die Inanspruchnahme anwaltlicher Unterstützung auslösen werden, was wiederum mit Kosten verbunden ist, die angesichts der Regelung in § 12a Abs. 1 ArbGG grundsätzlich nicht vom Antragsteller zu tragen sind.