Die geplanten Kündigungen bei Kaufland am Logistikstandort Donnersdorf werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen moderner Handelslogistik: Der Lebensmitteleinzelhändler, der als Teil der Schwarz-Gruppe rund 1.450 Filialen betreibt, plant, bis zu 350 der etwa 500 Stellen in Donnersdorf zu streichen und die Aufgaben künftig an Subunternehmen zu vergeben. Nach monatelangem Stillstand in den Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung soll nun eine paritätisch besetzte Einigungsstelle eine Übereinkunft über Interessenausgleich und Sozialplan bis Juni herbeiführen. Parallel wurde ein freiwilliges Programm aufgelegt, bei dem Beschäftigte, die „das Vertrauen in ihren Arbeitgeber verloren haben“, bis zum 30. Juni Auflösungsverträge mit Abfindung schließen können – bislang sollen rund 70 Mitarbeitende davon Gebrauch gemacht haben. Die Auseinandersetzung spiegelt nicht nur die Standortfrage in Unterfranken wider, sondern steht exemplarisch für den Trend zu Werkverträgen in der Handelslogistik und die rechtlichen Weichenstellungen im deutschen Arbeitsrecht.
Kaufland, Schwarz-Gruppe und der Standort Donnersdorf
Kaufland ist eine Tochter der Schwarz-Gruppe, eines der weltweit größten Handelsunternehmen mit rund 575.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 167,2 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2023/24. Die Schwarz-Gruppe betreibt unter der Marke Kaufland etwa 1.450 Filialen und versorgt diese über mehrere Logistikzentren – Donnersdorf ist dabei speziell für Non-Food- und Aktionsartikel zuständig. Im Oktober 2023 wurde am Standort ein vollautomatisches Hochregallager mit Kapazität für 24.800 Paletten in Betrieb genommen, um jährlich rund 446.000 km an Transportwegen einzusparen und den CO₂-Ausstoß zu senken. Gleichzeitig beschäftigt die Einrichtung vor Ort ursprünglich rund 500 Mitarbeitende, deren Expertise für die reibungslose Belieferung von über 770 Kaufland-Filialen in Deutschland essenziell ist.
Anlass der Kündigungspläne und Reaktionen
Im Januar 2025 bestätigte Kaufland, bis zu 350 der rund 500 Arbeitsplätze in Donnersdorf abzubauen und die Logistik künftig über Subunternehmen („Werkunternehmen“) abzuwickeln. Die Gewerkschaft Verdi warnt, dass dadurch tariflich gut bezahlte Stellen durch häufig schlechter entlohnte osteuropäische Vertragsarbeitnehmer ersetzt werden könnten. Bereits 2012 geriet Kaufland unter Verdacht, Scheinwerkverträge eingesetzt zu haben, was damals eine Millionen-Strafe nach sich zog. Der Betriebsratsvorsitzende Matthias Krampe kritisiert vor allem das Ausbleiben eines direkten Austauschs mit der Geschäftsleitung, die nun ausschließlich über Anwälte kommuniziere.
Vermittlung durch die Einigungsstelle
Da Betriebsrat und Unternehmensleitung keine Einigung über einen Interessenausgleich und Sozialplan erzielen konnten, wurde eine Einigungsstelle nach § 76 BetrVG angerufen, die bis Juni eine verbindliche Lösung erarbeiten soll. Die Einigungsstelle ist ein betriebsverfassungsrechtliches Gremium, das bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vermittels Mehrheitsentscheid verbindliche Betriebsvereinbarungen, insbesondere über Abfindungen, treffen kann . Scheitert eine gütliche Einigung, entscheidet der Vorsitzende – in der Regel ein Arbeitsrichter – abschließend über strittige Punkte wie Abfindungshöhe und Anzahl der zu beseitigenden Arbeitsplätze.
Freiwilliges Ausstiegsprogramm und Abfindungen
Zusätzlich wurde ein Freiwilligenprogramm aufgelegt, das Beschäftigten, die „das Vertrauen in ihren Arbeitgeber verloren haben“, ermöglicht, ihren Arbeitsvertrag zum 30. Juni zu beenden und eine Abfindung zu erhalten. Nach Angaben des Betriebsrats haben etwa 70 Mitarbeitende das Angebot bereits angenommen, wobei üblicherweise ca. ein halbes Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Abfindung gezahlt wird; die Arbeitnehmerseite strebt jedoch höhere Sätze sowie zusätzliche soziale Aufschläge an.
Perspektiven für Beschäftigte und Region
Für die verbleibenden Mitarbeitenden ist die Perspektive ungewiss: Finden Betriebsrat und Unternehmen bis Juni keine Einigung, legt die Einigungsstelle die Konditionen fest, die dann für beide Seiten verbindlich sind. Allein das Unternehmen darf aber letztlich entscheiden, wie viele Stellen tatsächlich abgebaut werden – ein Punkt, den der Betriebsrat als letzte Hürde bezeichnet. Für die Region Schweinfurt würde ein massiver Abbau ein spürbares wirtschaftliches Loch hinterlassen, da Donnersdorf als zentrales Distributionszentrum für Non-Food-Aktionsware eine wichtige Rolle im Logistikkonzept von Kaufland spielt.
Ausblick und weiterführende Entwicklungen
Die Auseinandersetzung in Donnersdorf steht exemplarisch für die zunehmende Verlagerung von Logistikdienstleistungen an Werkunternehmen im Handel und wirft grundsätzliche Fragen nach Nachhaltigkeit, sozialer Verantwortung und Mitbestimmung auf. Der Ausgang des Einigungsstellenverfahrens dürfte dabei Signalwirkung für weitere Standorte der Schwarz-Gruppe und andere Handelsunternehmen haben, die sich ähnlichen Kostendrucksituationen gegenübersehen. Bis Ende Juni bleibt abzuwarten, ob Betriebsrat und Einigungsstelle einen sozialverträglichen Interessenausgleich erreichen oder ob der Arbeitsrichter eine Entscheidung im Sinne des Arbeitgebers fällt.