Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Beschluss vom 07.11.2019 zum Aktenzeichen 9 Ta 179/19 entschieden, dass der Teilnehmer einer Fortbildung zum Sprach- und Integrationsmittler in Vollzeit ein zu seiner Berufsausbildung Beschäftigter i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ist.
Der Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer von dem Schulungsunternehmen ausgesprochenen Kündigung des Vertrages fällt in die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.
Die Zuständigkeit des Rechtswegs ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Denn der Kläger war bei der Beklagten zu seiner Berufsausbildung beschäftigt.
Bei der zwischen den Parteien vereinbarten Fortbildung des Klägers zum Sprach- und Integrationsmittler handelt es sich um eine Berufsausbildung.
Denn zur Berufsausbildung iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG rechnen nicht nur alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG oder sonstige breit angelegte berufliche Grundbildungen, sondern alle Maßnahmen, die berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten auf betrieblicher Ebene vermitteln und aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung erfolgen. Gleichgültig ist, ob der Auszubildende eine Vergütung erhält (BAG, Beschluss vom 27. September 2006 – 5 AZB 33/06 –, Rn. 11, juris; GMP/Müller-Glöge, 9. Aufl. 2017, § 5 ArbGG, Rn. 21; Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018,§ 5 ArbGG, Rn. 150). Dazu gehört auch die Fortbildung zum Sprach- und Integrationsmittler. Zwar existiert noch keine Fortbildungsordnung iSd. § 53 BBiG als Grundlage einer einheitlichen beruflichen Fortbildung, in der die Bezeichnung des Fortbildungsabschlusses, das Ziel, der Inhalt und die Anforderungen der Prüfung, die Zulassungsvoraussetzungen und das Prüfungsverfahren rechtlich verbindlich festgelegt sind. Gleichwohl erfolgt die Fortbildung strukturiert nach curricularen Vorgaben, die von der bundesweiten Initiative zur Etablierung des Berufsbildes unter Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entwickelt wurden und auf die § 3.2 des Vertrages ausdrücklich Bezug nimmt. Sprach- und Integrationsmittler sind demgemäß als Fachkräfte für interkulturelle Kommunikation anerkannt und nachgefragt, um das Fachpersonal in Kliniken, Jobcentern, Schulen und Behörden bei der Arbeit mit Personen mit Migrationshintergrund zu unterstützen.
Der Kläger war bei der Beklagten auch zur Berufsausbildung „beschäftigt“.
Dem Tatbestandsmerkmal der Beschäftigung kommt eine für die Rechtswegbestimmung eigenständige Bedeutung zu. Der Ausdruck „Beschäftigte“ in § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG stellt den notwendigen Bezug der Streitigkeit von Parteien eines Berufsbildungsverhältnisses zum Arbeitsrecht her (Schwab/Weth, ArbGG,5. Aufl. 2018, § 5 ArbGG, Rn. 151). Eine Beschäftigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Betreffende aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen Arbeit leistet. Das kommt auch außerhalb der betrieblichen Berufsbildung iSv. § 1Abs. 5 BBiG in Betracht. Eine „Beschäftigung“ liegt regelmäßig dann vor, wenn der Auszubildende dem Weisungsrecht des Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Ortes der Tätigkeit unterworfen ist (BAG, Beschluss vom 24. September 2002 – 5 AZB 12/02 –, BAGE 102, 371-377, Rn. 57). Ob der Erwerb der Kenntnisse und Fertigkeiten, um die sich der Auszubildende bemühen muss, überwiegend mittels praktischer Arbeit oder mehr aufgrund theoretischen Unterrichts erfolgt, ist hingegen für den Begriff der Beschäftigung ebenso wenig maßgebend wie die Frage, ob die Lernverpflichtung von (wirtschaftlichem) Nutzen ist (vgl. BAG, Beschluss vom 24. September 2002 – 5 AZB 12/02 –, BAGE 102, 371-377, Rn. 59).
Gemäß § 3.1 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages war der Kläger zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht verpflichtet und gehalten, bei Erkrankungen innerhalb von drei Tagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ausgestellt am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit, vorzulegen. Über die vertraglich konkret festgelegten Pflichten hinaus unterlag der Kläger im Rahmen der Fortbildung dem Weisungsrecht der Beklagten, da die Beklagte gemäߠ § 3.1 des Vertrages bei auftretenden Schwierigkeiten oder in Konfliktsituationen Konfliktlösungsstrategien vorgeben durfte und der Kläger verpflichtet war, die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen durchzuführen. Gemäߧ 3.2 des Vertrages hatte sich die Beklagte zudem vorbehalten, aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen angekündigte Lehrveranstaltungen zu verschieben, abzusagen oder inhaltlich zu ändern. Dass die dem Kläger obliegende Pflicht zur Unterrichtsteilnahme sowie die Anzeige- und Nachweispflichten dazu dienten, ihn im Sinne einer reibungslosen und erfolgreichen Abwicklung des Vertragsverhältnisses in den Ausbildungsbestrieb einzugliedern, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die An- und Abwesenheit des Klägers gemäß § 3.2 des Vertrages täglich durch einen Eintrag im Klassenbuch zu dokumentieren war. Besonders deutlich bringt die Beklagte das zudem selbst in dem Abmahnungsschreiben vom 12.04.2019 zum Ausdruck, in dem sie dem Kläger vorwirft, sein Verhalten habe die Durchführung des normalen Unterrichtsgeschehens beeinflusst. Schließlich hat die Beklagte die Kündigung des Vertragsverhältnisses damit begründet, dass der Kläger seit dem 15.05.2019 nicht mehr am regulären Unterricht teilgenommen habe. Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten Verhaltenspflichten hatte, die den Nebenpflichten eines Arbeitnehmers ähnlich waren. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von den Dienstverhältnissen, bei denen der Ausbildungsteilnehmer der Dienstberechtigte und das Ausbildungsunternehmen als Dienstverpflichteter ihm gegenüber zum Unterricht verpflichtet ist.
Die vertraglichen Pflichten des Klägers gegenüber der Beklagten sind entgegen der Auffassung der Beklagten von den Mitwirkungspflichten des Klägers gegenüber der Agentur für Arbeit, die sozialrechtlich ausgestaltet sind und, etwa durch den Entzug oder die Kürzung von Leistungen, einem anderen Sanktionsregime unterliegen, klar zu trennen. Eine Vermischung der verschiedenen Rechtsverhältnisse und die Annahme von de-facto-Pflichten gegenüber der Agentur für Arbeit sind rechtlich nicht zulässig und können im vorliegenden Fall nicht zu einer Verneinung der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen führen.