Kommission ändert Beihilfevorschriften für wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse

26. November 2021 -

Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) sind große grenzüberschreitende Projekte, die bahnbrechende Innovationen in Bereichen ermöglichen sollen, die der Markt allein nicht leisten kann.

Aus EU-Aktuell vom 25.11.2021 ergibt sich:

Die EU-Kommission hat heute (Donnerstag) überarbeiteten Beihilfevorschriften für IPCEI-Projekte beschlossen. „Unsere Beihilfevorschriften für wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse ermöglichen es den Mitgliedstaaten und der Industrie, gemeinsam in bahnbrechende Innovationen und in Infrastrukturen zu investieren. Dies geschieht, wenn die Marktkräfte allein nicht ausreichen, weil die Risiken für einen einzelnen Mitgliedstaat oder ein einzelnes Unternehmen zu groß sind. Außerdem muss die EU-Wirtschaft insgesamt davon profitieren. Nach umfassenden Konsultationen haben wir unsere Vorschriften gezielt geändert, um die Offenheit von IPCEI weiter zu verstärken und die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen zu erleichtern“, so Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager.

Die überarbeitete Mitteilung über die Beihilfevorschriften für wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse („IPCEI-Mitteilung“) gilt ab dem 1. Januar 2022. Sie enthält die Kriterien, nach denen die Kommission die Unterstützung der Mitgliedstaaten für grenzübergreifende IPCEI beurteilt, die Marktversagen beheben und bahnbrechende Innovationen in Schlüsselsektoren und -technologien sowie Infrastrukturinvestitionen mit positiven Spillover-Effekten auf die gesamte EU-Wirtschaft ermöglichen.

Die Kommission nahm die überarbeitete IPCEI-Mitteilung im Anschluss an eine 2019 im Rahmen der Eignungsprüfung der Beihilfevorschriften durchgeführte Evaluierung der geltenden IPCEI-Regeln und einer umfassenden Konsultation aller interessierten Kreise an. So flossen die Stellungnahmen von Mitgliedstaaten, Wirtschaftsverbänden, Interessengruppen, einzelnen Unternehmen, NRO und Bürgern wie auch die Erfahrungen aus der Beschlusspraxis der Kommission in die Überarbeitung ein. Die Kommission hat bereits drei Beschlüsse zur Genehmigung von IPCEI erlassen, die bahnbrechende Innovationen im Bereich Mikroelektronik (Dezember 2018) und in der Batteriewertschöpfungskette (Dezember 2019 und Januar 2021) betrafen, sowie einen Beschluss zur Genehmigung eines Infrastruktur-IPCEI für die feste Fehmarnbeltquerung für den Schienen- und Straßenverkehr (März 2020).

Die überarbeitete IPCEI-Mitteilung enthält eine Reihe gezielter Anpassungen, um den Erfahrungen aus der Anwendung der IPCEI-Mitteilung von 2014 Rechnung zu tragen und die relevanten Vorschriften an die aktuellen EU-Prioritäten anzupassen.

Die überarbeitete Mitteilung umfasst insbesondere folgende Änderungen:

  • Der europäische und offene Charakter von IPCEI wird weiter gestärkt, da bei IPCEI nun die Teilnahme von in der Regel mindestens vier Mitgliedstaaten und eine transparente und inklusive Ausgestaltung verlangt wird. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Mitgliedstaaten beispielsweise durch vorbereitende Kontakte und Treffen über die mögliche Auflegung eines IPCEI informiert werden und bei Interesse die Möglichkeit erhalten, sich daran zu beteiligen.
  • Die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an IPCEI wird erleichtert. Um die Vorteile ihrer Beteiligung ganz auszuschöpfen, gelten für Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen für KMU spezifische Bestimmungen. So kann z. B. der Eigenbeitrag kleinerer Unternehmen zu den Vorhaben geringer ausfallen als sonst erforderlich. Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen größeren Unternehmen, die an einem IPCEI teilnehmen, und KMU gefördert.
  • Die Ziele der überarbeiteten Mitteilung werden an die aktuellen EU-Prioritäten anpasst. Mit Blick auf die Umweltstrategien der EU und die Beschleunigung des ökologischen Wandels müssen die Mitgliedstaaten beispielsweise künftig nachweisen, dass die angemeldeten Vorhaben dem Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen Rechnung tragen. Ferner werden die Kriterien für die Kombination von EU-Mitteln und nationalen Mitteln präzisiert.

Gleichzeitig wird in der überarbeiteten IPCEI-Mitteilung bestätigt, dass IPCEI erhebliche positive Spillover-Effekte in der gesamten EU erzeugen müssen und strenge Vorkehrungen zu treffen sind, damit die Beihilfen auf das erforderliche Maß beschränkt sind und keine unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen bewirken.

Die Kommission wird auf dieser Grundlage weiterhin die laufenden Bemühungen der Mitgliedstaaten um die gemeinsame Ausgestaltung von IPCEI unterstützen, die bahnbrechende Innovationen und Infrastrukturinvestitionen in den Bereichen Wasserstoff, Cloud-Computing, Gesundheit und Mikroelektronik ermöglichen und dadurch Marktversagen beheben.

Hintergrund

IPCEI sind unter Federführung der Mitgliedstaaten durchgeführte grenzüberschreitende Innovations- und Infrastrukturvorhaben mit ehrgeizigen Zielen. Sie können einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung von EU-Strategien wie dem europäischen Grünen Deal und der Digitalstrategie leisten und gleichzeitig positive Spillover-Effekte erzeugen, die nicht nur den teilnehmenden Mitgliedstaaten, sondern der gesamten EU-Wirtschaft und den Bürgerinnen und Bürgern der Union zugutekommen.

Da IPCEI aus nationalen Haushalten finanziert werden, bestimmen die Mitgliedstaaten den Gegenstand des Vorhabens, wählen die teilnehmenden Unternehmen aus (vorzugsweise im Wege offener Ausschreibungen) und verständigen sich auf die Projektleitung. Die Unterstützung der Mitgliedstaaten für die Vorhaben und teilnehmenden Unternehmen stellt nach den EU-Vorschriften eine staatliche Beihilfe dar und muss deshalb bei der Kommission zur Prüfung und Genehmigung angemeldet werden. Die Kommission ist bereit, die Pläne der Mitgliedstaaten und der Industrie zu unterstützen, bei Bedarf Orientierungshilfen zu geben und die Bemühungen zu koordinieren. Sobald die einschlägigen Vorhaben bei der Kommission angemeldet werden, prüft sie diese so zügig wie möglich auf der Grundlage der IPCEI-Mitteilung.

In der IPCEI-Mitteilung ist festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten grenzübergreifende Vorhaben mit strategischer Bedeutung für die EU im Einklang mit Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterstützen können. Dieser Rahmen soll die Mitgliedstaaten zur Unterstützung von Vorhaben ermutigen, die einen wichtigen Beitrag zu den strategischen Zielen der Europäischen Union leisten.

Um nach der überarbeiteten IPCEI-Mitteilung für Beihilfen in Betracht zu kommen, muss ein Vorhaben

  • einen wichtigen Beitrag zu den Zielen der EU leisten,
  • nachweislich ein erhebliches Marktversagen beheben,
  • von mindestens vier Mitgliedstaaten durchgeführt werden (außer in Ausnahmefällen, in denen eine geringere Zahl aufgrund der Art des Vorhabens gerechtfertigt ist),
  • transparent und inklusiv ausgestaltet sein und allen Mitgliedstaaten eine echte Gelegenheit bieten, sich an einem entstehenden Vorhaben zu beteiligen,
  • über die teilnehmenden Mitgliedstaaten und Unternehmen hinaus konkrete positive Spillover-Effekte erzeugen, die der Wirtschaft und Gesellschaft der EU zugutekommen,
  • eine umfangreiche Kofinanzierung durch die Unternehmen umfassen, die staatliche Beihilfen erhalten werden, und
  • darf keine negativen Umweltauswirkungen aufgrund der Nichtbeachtung des Grundsatzes der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen haben, die wahrscheinlich nicht durch ausreichende positive Auswirkungen aufgewogen würden.

Darüber hinaus enthält die Mitteilung spezifische Kriterien für die Beihilfefähigkeit von auf bahnbrechende Innovationen ausgerichteten Vorhaben (sowohl für Forschung, Entwicklung und Innovation als auch für die erste gewerbliche Nutzung, nicht aber für Massenproduktion und kommerzielle Tätigkeiten) oder von großen Infrastrukturvorhaben, die für die EU in verschiedenen Sektoren von großer Bedeutung sind.

Die IPCEI-Mitteilung ergänzt andere Vorschriften über staatliche Beihilfen wie die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung und den Unionsrahmen für Forschung, Entwicklung und Innovation, die die Unterstützung innovativer Vorhaben zu großzügigen Konditionen ermöglichen.