Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. November 2022 zum Aktenzeichen 2 BvR 1424/15 entschieden, dass die Übergangsregelung des § 36 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung von § 34 Abs. 13f KStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (im Folgenden: § 36 Abs. 4 KStG) mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) teilweise unvereinbar ist. Sie führt bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Dieses unterfällt, soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Der Eingriff in dieses Schutzgut ist nicht gerechtfertigt.
Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 11/2023 vom 26. Januar 2023 ergibt sich:
Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40 % Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30 % (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung, also in Höhe von zuletzt 10 Prozentpunkten. Beim Anteilseigner erfolgte die Besteuerung der Ausschüttung mit dem individuellen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen unter Anrechnung der von der Kapitalgesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer. Nach dem Halbeinkünfteverfahren wird auf der Ebene der Körperschaft für Gewinne nur noch eine einheitliche und endgültige Körperschaftsteuer in Höhe von (seit 2008) 15 % erhoben. Auf der Ebene des Anteilseigners unterliegt der ausgeschüttete Kapitalertrag nur zur Hälfte (seit 2009 zu 60 %) der Einkommensteuer.
§ 36 KStG ist Teil der Übergangsvorschriften, die den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren regeln. Danach wurden die unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten, unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten und die nicht belasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in mehreren Schritten zusammengefasst und umgegliedert. Das in den verbleibenden belasteten Eigenkapitalteilen enthaltene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer mehrjährigen Übergangszeit abgebaut werden konnte. Bei der Verrechnung der nicht steuerbelasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals untereinander blieb der in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichnete Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals (EK 04), in dem offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter erfasst waren, unberücksichtigt. Dies führt in bestimmten Fällen zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Die davon betroffene Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen auf § 36 Abs. 4 KStG beruhende finanzbehördliche und finanzgerichtliche Entscheidungen sowie mittelbar gegen die Vorschrift selbst.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. § 36 Abs. 4 KStG ist mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, soweit die Regelung zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt, weil sie den in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichneten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals nicht in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge einbezieht.
Die Entscheidung ist mit 6:1 Stimmen ergangen.
Sachverhalt:
Während der Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde das verwendbare Eigenkapital (vEK) der Gesellschaft entsprechend seiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer in verschiedene „Eigenkapitaltöpfe“ (EK) gegliedert. Eine Belastung des einbehaltenen Gewinns mit 45 % wurde im sogenannten „EK 45“ vermerkt, eine Belastung mit 40 % im „EK 40“. Diese belasteten Eigenkapitalteile enthielten ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung. Steuerfreie Vermögensmehrungen wurden im „EK 0“ erfasst. Dieses unterteilte sich in die nach Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Gewinne und Verluste (EK 01), Altrücklagen aus den Jahren vor 1977 (EK 03), offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter (EK 04) sowie sonstige der Körperschaftsteuer nicht unterliegende Vermögensmehrungen (EK 02). Das EK 02 und das EK 03 wurden bei einer Ausschüttung mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % nachbelastet, sie enthielten also ein Steuererhöhungspotenzial.
Den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gestaltete der Gesetzgeber durch die mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 neu in das Körperschaftsteuergesetz eingefügten §§ 36 bis 40 KStG. Gemäß § 36 KStG wurden die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des Eigenkapitals in mehreren Umrechnungsschritten zusammengefasst und umgegliedert und die so ermittelten Endbestände gesondert festgestellt. Diese Feststellung bildete die Grundlage für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 1 KStG einerseits und der Nachbelastung mit Körperschaftsteuer gemäß § 38 KStG andererseits. Mit Beschluss vom 17. November 2009 (BVerfGE 125, 1 – Körperschaftsteuerminderungspotenzial I) erklärte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 36 Abs. 3 und 4 KStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes für mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit die Regelung durch die Umgliederung von EK 45 in EK 40 unter gleichzeitiger Verringerung des EK 02 zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führte.
Daraufhin änderte der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2010 die Übergangsvorschriften der §§ 36 und 37 KStG durch Einfügung von § 34 Abs. 13f, 13g KStG. Nach der Neuregelung wurde die vorrangige Umgliederung von EK 45 in EK 40 durch § 36 Abs. 3 KStG gestrichen. Gemäß § 36 Abs. 4 KStG findet nunmehr in einem ersten Schritt eine Verrechnung der unbelasteten Eigenkapitalteile EK 01, EK 02 und EK 03 statt. Ist die Summe dieser Teilbeträge negativ, so sind sie zunächst untereinander und sodann mit den mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträgen in der Reihenfolge zu verrechnen, in der ihre Belastung zunimmt, also EK 30 vor EK 40 vor EK 45. Der Teilbetrag im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 (EK 04) bleibt dabei unberücksichtigt.
Im Fall der Beschwerdeführerin, einer Bank in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft, führte die Nichtberücksichtigung von EK 04 bei der Umgliederung des vEK zu einer Verringerung des im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials. Der deshalb eingelegte Einspruch der Beschwerdeführerin und ihre anschließende Klage vor den Fachgerichten blieben ohne Erfolg.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Neben den zugrundeliegenden Verwaltungs- und Fachgerichtsentscheidungen greift sie mittelbar § 36 Abs. 4 KStG an.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Der Schutz des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum, sondern auch andere dingliche und sonstige gegenüber jedermann wirkende Rechte sowie schuldrechtliche Forderungen. Er ist nicht auf bestimmte vermögenswerte Rechte beschränkt. Geschützt sind nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, nicht jedoch bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten.
Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsfähigkeit über das Eigentumsobjekt gekennzeichnet. Vermögenswerte öffentlich-rechtliche Rechtspositionen hat das Bundesverfassungsgericht in den Schutz der Eigentumsgarantie einbezogen, wenn sie eine Rechtsstellung begründen, die der des Eigentums entspricht und die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde. Hierfür ist neben der Privatnützigkeit der Rechtsposition und einer zumindest eingeschränkten Verfügungsbefugnis des Inhabers insbesondere von Bedeutung, inwieweit eine derartige Rechtsstellung sich als Äquivalent eigener Leistung erweist.
Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Der Gesetzgeber kann insbesondere, wenn sich eine Reform des geltenden Rechts als notwendig erweist, vor der Entscheidung stehen, bisher eingeräumte rechtliche Befugnisse zu beseitigen oder zu beschränken. Im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist er bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets zur Umgestaltung individueller Rechtspositionen im Wege einer angemessenen und zumutbaren Überleitungsregelung befugt.
Er unterliegt dabei jedoch besonderen verfassungsrechtlichen Schranken. Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muss mit Blick auf die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltene subjektive Rechtsstellungsgarantie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten gebunden.
Bei der Umgestaltung komplexer Regelsysteme steht dem Gesetzgeber für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat.
Nach diesen Maßstäben ist § 36 Abs. 4 KStG mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit die Vorschrift zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt, weil sie den in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichneten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals (EK 04) nicht in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge einbezieht.
Das unter dem Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial unterfällt in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Es erfüllt die Kriterien der Privatnützigkeit und jedenfalls eingeschränkten Verfügbarkeit. Ferner beruht es auf einer eigenen Leistung der Körperschaft, weil es sich aus der von dieser in Höhe der Tarifbelastung entrichteten Körperschaftsteuer ableitet. Bei dem Körperschaftsteuerminderungspotenzial handelt es sich, soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbar war, nicht lediglich um eine bloße Chance oder zukünftige Verdienstmöglichkeit, sondern um eine vermögenswerte Rechtsposition, die der Körperschaft bereits zustand und konkret bezifferbar war.
Da die Realisation des Körperschaftsteuerminderungspotenzials eine Ausschüttung oder einen anderen Realisationstatbestand voraussetzte, hatte dieses noch nicht die Qualität eines Anspruchs auf Erstattung zu viel gezahlter Steuern, der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG anerkannt ist. Auch konnte die Höhe des Körperschaftsteuerminderungspotenzials im Laufe der Zeit variieren und aufgrund von Verlusten gegebenenfalls sogar auf Null absinken. Die konkrete Höhe des durch die Vornahme einer Ausschüttung aufschiebend bedingten Körperschaftsteuerguthabens hing in einem bestimmten Zeitpunkt von der jeweiligen Liquiditätsausstattung der Körperschaft und der Zusammensetzung des verwendbaren Eigenkapitals sowie einer daraus etwa resultierenden handelsrechtlichen Ausschüttungssperre ab.
Ungeachtet dessen war aber für jeden Zeitpunkt konkret bezifferbar, in welcher Höhe maximal, das heißt bei einer Vollausschüttung, das Körperschaftsteuerminderungspotenzial aktuell realisierbar und für die Körperschaft in Form eines Körperschaftsteuerguthabens nutzbar war. Entsprechend ließ sich auch im Zeitpunkt des Systemwechsels zwischen Anrechnungs- und Halbeinkünfteverfahren konkret berechnen, in welcher Höhe den betroffenen Körperschaften aufgrund des ihnen zugeordneten Körperschaftsteuerminderungspotenzials im Falle seiner Realisierung ein Körperschaftsteuerguthaben zustand. In dieser Höhe war es nicht lediglich eine Chance oder zukünftige Verdienstmöglichkeit, sondern ein von der Körperschaft bereits gegenwärtig nutzbarer Vermögensgegenstand.
In das im Zeitpunkt des Systemwechsels zwischen Anrechnungs- und Halbeinkünfteverfahren bestehende Körperschaftsteuerminderungspotenzial greift § 36 Abs. 4 KStG bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur nachteilig ein.
Unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens entsprach der handelsrechtlich maximal ausschüttbare Betrag in etwa dem Saldo aus sämtlichen Teilbeträgen des verwendbaren Eigenkapitals. Bei einer Vollausschüttung hätten zwar in Anbetracht der gesellschaftsrechtlichen Ausschüttungsbeschränkungen negative Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals Einfluss auf die maximal zulässige Höhe der Gewinnausschüttungen gehabt. Die nicht auf das Nennkapital geleisteten Einlagen (positives EK 04) hätten aber den handelsrechtlich ausschüttbaren Betrag erhöht.
Negative Teilbeträge wurden bei der Ermittlung des zur Ausschüttung verwendeten Eigenkapitals grundsätzlich übersprungen. Eine handelsrechtliche Ausschüttungssperre wirkte sich deshalb bei der Ermittlung des zur Ausschüttung verwendbaren Eigenkapitals wie eine Verrechnung negativer Teilbeträge mit den positiven Teilbeträgen in der umgekehrten Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 3 KStG 1999 in Verbindung mit §§ 30, 54 Abs. 11 Satz 5 KStG 1999 aus. Infolgedessen konnte bei einer Vollausschüttung das gesamte in einem positiven EK 45 und/oder EK 40 gespeicherte Körperschaftsteuerminderungspotenzial realisiert werden, wenn beziehungsweise soweit der Saldo aller übrigen Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals nicht negativ war.
Davon weicht § 36 Abs. 4 KStG zum Nachteil der steuerpflichtigen Körperschaft ab.
Nach der Regelung des § 36 Abs. 4 KStG sind bei einer negativen Summe der unbelasteten Teilbeträge im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 KStG 1999 (EK 01 bis EK 03) diese zunächst untereinander zu verrechnen. Sodann sind sie mit den belasteten Teilbeträgen in der Reihenfolge zu verrechnen, in der ihre Belastung zunimmt. Der Teilbetrag im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 (EK 04) bleibt unberücksichtigt.
Das hat zur Folge, dass eine Verrechnung mit EK 40 und/oder EK 45 und damit zugleich eine Minderung des unter dem Übergangsrecht noch realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials auch dann eintritt, wenn die negative Summe aus EK 01, EK 02 und EK 03 nicht oder nicht vollständig durch einen positiven Teilbetrag im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KStG 1999 (EK 30) neutralisiert wird. Bei einer Vollausschüttung unter Einbeziehung eines positiven EK 04 hätte dagegen das gesamte EK 45 und/oder EK 40 oder jedenfalls ein größerer Teil davon für eine Ausschüttung und damit auch für eine Realisierung des Körperschaftsteuerminderungspotenzials zur Verfügung gestanden.
Der darin liegende Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Körperschaftsteuerminderungspotenzial ist nicht durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt.
Bei dem Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren verfolgte der Gesetzgeber die legitimen Ziele, eine wettbewerbsfähige, europataugliche und leistungsgerechte Unternehmensbesteuerung zu schaffen. Nach dem Systemwechsel sollte ein einfaches und transparentes Körperschaftsteuerrecht zur Verfügung stehen. Infolge des Wechsels zum Halbeinkünfteverfahren wurde die Eigenkapitalgliederung, die für Ausschüttungen unter dem Anrechnungsverfahren die jeweilige Vorbelastung des zur Ausschüttung kommenden Eigenkapitals auswies, überflüssig. Es war daher auch ein legitimes (Zwischen-)Ziel des Gesetzgebers, diese Eigenkapitalgliederung abzubauen. Das gilt umso mehr, als er dabei anstrebte, die bei Fortgeltung des Anrechnungsverfahrens im Falle einer Ausschüttung künftig entstandenen Körperschaftsteuerminderungen im Ergebnis zu erhalten. Auch der Übergang vom alten zum neuen Körperschaftsbesteuerungssystem sollte möglichst einfach abgewickelt werden.
Zum Abbau der Eigenkapitalgliederung und zur Vereinfachung war die Regelung von § 36 KStG einschließlich des hier streitgegenständlichen Absatzes 4 grundsätzlich geeignet. Nicht geeignet war sie allerdings wegen der Außerachtlassung von EK 04 zum vollständigen Erhalt des bei einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials.
Insgesamt war die Regelung und der damit bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur einhergehende Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele jedenfalls nicht erforderlich. Ein Eingriff in die subjektive Rechtsstellungsgarantie von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Zusammenhang mit der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ist nur dann erforderlich, wenn kein anderes gleich wirksames, eigentumsrechtlich geschützte Interessen weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Das ist hier nicht der Fall.
Mit der Einbeziehung des EK 04 könnten sämtliche vom Gesetzgeber verfolgten Ziele ohne Einschränkung erreicht werden. Die Erforderlichkeit der Außerachtlassung von EK 04 ergab sich weder daraus, dass EK 04 als steuerliches Einlagekonto auch im System des Halb- beziehungsweise Teileinkünfteverfahrens benötigt wird, noch daraus, dass die im EK 04 repräsentierten Einlagen und der Buchwert der Beteiligung nicht auseinanderfallen sollen. Durch die Einbeziehung des EK 04 in die Verrechnung gemäß § 36 Abs. 4 KStG findet weder eine Minderung der Einlagen noch eine Verringerung des Buchwerts der Beteiligung statt. Es handelt sich um einen bloßen Rechenschritt zum Zwecke der Berücksichtigung negativer vEK-Bestandteile bei der Ermittlung des realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials, welche von der sich anschließenden Feststellung und Realisation des sich daraus ergebenden Körperschaftsteuerguthabens (vgl. § 37 KStG) zu trennen ist.
Die Außerachtlassung des EK 04 innerhalb der Verrechnungsregel des § 36 Abs. 4 KStG ist ferner mit der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bei der Festlegung und Beschränkung von Eigentümerbefugnissen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Eigentumsgestaltende Belastungen müssen bei wesentlich gleichen Sachverhalten gleich verteilt werden; Differenzierungen bedürfen eines hinreichenden sachlichen Grundes. Daran fehlt es hier.
Das EK 04 unterscheidet sich nicht wesentlich von den übrigen Bestandteilen des unbelasteten vEK, insbesondere nicht von den in die Verrechnung gemäß § 36 Abs. 4 KStG einbezogenen Teilbeträgen (EK 01, EK 02 und EK 03).
§ 36 Abs. 4 KStG behandelt Körperschaften, die in der Summe einen positiven Bestand oder den Bestand null an unbelastetem verwendbaren Eigenkapital (EK 0) aufweisen, unterschiedlich, je nachdem, ob bereits die Teilsumme des EK 01, EK 02 und EK 03 positiv ist oder ob diese Teilsumme negativ ist und erst durch einen positiven EK 04-Bestand ausgeglichen wird. Im ersten Fall unterbleibt eine Verrechnung mit den belasteten Teilbeträgen, so dass es nicht verrechnungsbedingt zu einem Untergang von Körperschaftsteuerminderungspotenzial kommt. Im zweiten Fall ist die negative Teilsumme aus EK 01, EK 02 und EK 03 mit den mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträgen in der Reihenfolge zu verrechnen, in der ihre Belastung zunimmt, auch wenn der Bestand an EK 0 aufgrund eines positiven EK 04 in der Summe positiv oder jedenfalls null ist. Soweit es hierbei zu einer Verrechnung mit dem EK 40 oder dem EK 45 kommt, führt dies zu einem Untergang des darin enthaltenen, bei einer Vollausschüttung realisierbaren Körperschaftsteuerminderungspotenzials.
Für diese Ungleichbehandlung fehlt ein einleuchtender Grund. Die unterschiedliche Struktur der Kapitalausstattung genügt dafür nicht. Etwas Anderes lässt sich auch nicht dem Beschluss des Ersten Senats vom 17. November 2009 (BVerfGE 125, 1) entnehmen. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung ist schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber auch bei einer Einbeziehung des EK 04 in den Verrechnungsschritt des § 36 Abs. 4 KStG sämtliche von ihm mit dem Übergangsrecht verfolgten Ziele uneingeschränkt hätte erreichen können. Eine erhebliche Ungleichbehandlung, die jeglichen sachlichen Grundes entbehrt, weil alle vom Gesetzgeber angestrebten Regelungsziele auch unter Vermeidung der ungleichen Belastung und ohne Inkaufnahme anderer Nachteile erreicht werden können, braucht von den Betroffenen nicht hingenommen zu werden.
Bei einer Gesamtabwägung überschreitet die angegriffene Regelung auch unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Überleitung bestehender Rechtslagen und Berechtigungen zustehenden weiten Gestaltungsspielraums sowohl mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG die Grenze der Zumutbarkeit.
Wegen der Unvereinbarkeit von § 36 Abs. 4 KStG mit Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verletzen auch der hierauf gestützte Bescheid des Finanzamts sowie die Urteile des Finanzgerichts und des Bundesfinanzhofs die Beschwerdeführerin in ihren Rechten.
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31. Dezember 2023 rückwirkend zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasst alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften beruhen. Bis zu einer Neuregelung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.