Das Amtsgericht Hannover hat mit Urteil vom 15.10.2021 zum Aktenzeichen 548 C 2891/21 in einem Rechtsstreit drei Beklagte zur Räumung von Kleingartenparzellen verurteilt, auf denen Häuser mit mindestens 100m² Nutzfläche errichtet worden waren.
Aus der Pressemitteilung des AG Hannover vom 15.10.2021 ergibt sich:
Die Beklagten wehren sich gegen die seitens der Landeshauptstadt geltend gemachten Ansprüche auf Räumung und Herausgabe der Kleingartengrundstücke an der Schulenburger Landstraße in Hannover Hainholz. Die Kleingartengrundstücke waren von den Beklagten von einem Kleingartenverein gepachtet. Die Besonderheit sind Häuser in den drei Kleingärten mit mindestens 100m² Nutzfläche. Die Häuser stehen schon seit der Nachkriegszeit, eins jedenfalls seit 1945. Die Beklagten behaupten, in den Häusern gewohnt zu haben und viel Geld in die Bauten investiert zu haben. Sie sind der Auffassung, die Stadt habe die Wohnnutzung geduldet.
Die Stadt hat das gesamte Areal Schulenburger Landstraße von einer Kirchengemeinde erworben und bis 2019 als Kleingartenfläche weiter nutzen lassen. Nunmehr beabsichtigt die Stadt die Nutzung des Grundstücks den Bestimmungen des B-Plans gemäß zuführen (Gewerbe und Straßenverkehr). Kündigungen des Generalpachtvertrags gegenüber dem Bezirksverband der Kleingärtner sind seitens der Stadt erfolgt. Der Kleingartenverein kündigte den Beklagten.
Die Stadt hat aus ihrem Eigentumsrecht einen Anspruch aus § 985 BGB. Es besteht kein Recht zum Besitz bei den Beklagten.
Die Geltendmachung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch die Klägerin verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB.
Insbesondere ist der Klägerin keine unzulässige Rechtsausübung bei der Geltendmachung des Anspruchs vorzuwerfen. Der Klägerin kann ihr widersprüchliches Verhalten nicht entgegengehalten werden.
Zwar haben die Beklagten in die Häuser auf ihren gepachteten Kleingartengrundstücken erheblich viel Geld investiert, jedoch gab es dafür nicht den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlichen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass sie die Häuser unbegrenzt weiter nutzen dürften. Allein aus Bescheiden der Klägerin über Grundsteuer und Benutzungsgebühren und Meldungen der Adressen sowie der Häuser an das Finanzamt und das jahrelange Ignorieren, dass Häuser in Kleingärten bewohnt wurden, lässt sich kein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand konstruieren, der einen Herausgabeanspruch von Grundstücken aus dem Eigentum der Klägerin dauerhaft unterbinden kann. Denn es käme einer Enteignung der Klägerin gleich, wenn sie dauerhaft daran gehindert wäre, ihren Herausgabeanspruch als Eigentümerin geltend zu machen. Das Eigentumsrecht der Klägerin an dem Grundstück ist aber rechtlich stärker zu schützen als das entstandene Vertrauen der Beklagten in die fortwährende Nutzungsmöglichkeit der Häuser auf dem städtischen Grund. Denn der Schutz des Eigentums an Grundstücken ist in der Rechtsordnung besonders stark angelegt. Vielmehr kommt lediglich in Betracht, dass sich die Klägerin in der Vergangenheit teilweise rechtswidrig verhielt, indem sie Wohnanschriften der Beklagten auf dem Kleingartengrund duldete und verwendete, obwohl das Wohnen dort rechtlich nicht erlaubt war. Das Wohnen war bereits in den Kleingartenpachtverträgen ausgeschlossen und auch nicht nach dem geltenden Bebauungsplan zulässig. Das mögliche rechtswidrige Verhalten ist jedoch nicht als schwerwiegend zu betrachten, weil es keine Bindung der Klägerin als Verwaltungsbehörde umfasst, auch in Zukunft weiter rechtswidrig zu handeln.
Mit Blick auf die Beklagte zu 1. steht dem Anspruch der Klägerin gegen sie aus § 985 BGB auch nicht der Bestandsschutz der erteilten Baugenehmigung für das Haus auf dem streitgegenständlichen Grundstück: die Zulassung des „Wiederaufbaus der massiven Gartenlaube für Herrn xxx“ entgegen. Einerseits wurde damals im Jahr 1945 kein Bau eines Einfamilienhauses genehmigt. Andererseits berechtigt der auf Art. 14 Abs. 1 GG basierende Bestandsschutz von Gebäuden nur den Eigentümer des Grundstücks, nicht den Pächter.
Dem Anspruch der Klägerin aus § 985 BGB steht auch kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten aus § 1000 BGB entgegen. Ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund von Verwendungen der Beklagten auf die Häuser als Wohnhäuser scheidet aus, weil die Wohnnutzung von Beginn der Nutzung an rechtswidrig war. Hinsichtlich der Verwendungen seitens der Beklagten auf eine Gartenlaube hat die Klägerin sogar in der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2021 eine Entschädigung von jeweils mindestens 5000 € für alle Beklagten angeboten, die den Vorgaben des § 11 BKleingG entsprechen sollte. In der Vergangenheit sind unstreitig mehrere solche Angebote unterbreitet worden, was der neuerlichen Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts entgegensteht.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.