Kleinbetrieb – Matrixstruktur – Betriebsbezogenheit des KSchG

11. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 22.04.2021 zum Aktenzeichen­ 6 Sa 1066/20 entschieden, dass selbst wenn der zu § 23 KSchG ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgend angenommen wird, es sei der Arbeitnehmer, der die Darlegungs-­ und Beweislast für die Tat­sache trägt, er sei in einem Betrieb mit insgesamt mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt, ist es die Arbeitgeberin, die auf einen entsprechenden Vortrag des Arbeitnehmers ihr Bestreiten dahin konkreti­sieren muss, wie nach ihrem Verständnis die betriebliche Organisation ihres Unternehmens bzw. ihres Konzerns aussieht.

Das gilt besonders in einem Unternehmen mit Matrixstruktur.

Hier bekommt die vom 2. Senat (2 AZR 427/16) angewandte Sphärentheorie im Rahmen der abgestuften Darlegungslast nach § 138 ZPO ein besonderes Gewicht.

Matrixstrukturen sind so gestaltet, dass nicht jede einzelne Konzerngesellschaft vertikal hierarchisch und horizontal Bereichs oder aufgabenspezifisch gegliedert ist, sondern die einzelnen Gesellschaften für sich genommen sowie in ihrer Funktion als Arbeitgeberinnen wirtschaftlich in den Hintergrund treten und vielmehr der Konzern nach Aufgaben­ und Funktionsbereichen gegliedert wird.

In den einzelnen or­ganisatorischen Bereichen des Konzerns werden dann Mitarbeiter verschiedener Konzerngesellschaften gemeinsam beschäftigt.

Die Berichtslinien verlaufen nicht mehr vertikal in der Anstellungsgesellschaft, sondern konzern­ bzw. gruppenbezogen.Wenn in einer Matrixstruktur die deutsche Niederlassung eines internationalen Konzerns als Anstel­lungsgesellschaft knapp 150 Mitarbeiter administriert, die – von wenigen Ausnahmen abgesehen – al­le in wechselnden international zusammengesetzten Gruppen bei den Kunden des Konzern eingesetzt werden, ohne ein Büro oder eine nichtvirtuelle betriebliche Infrastruktur zu nutzen, dann wird die Anstel­lungsgesellschaft ihrer sekundären Darlegungslast aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO nicht gerecht, wenn sie sich zum Thema „Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und Kleinbetrieb“ auf den Vortrag be­schränkt, der Kläger sei als Solitär sein eigener aus dem Ausland gelenkter Betrieb und weiter, dass es in ihrer Organisation zwar Betriebe gebe, aber mangels verstetigter Leitungsfunktion keine Betriebe im Sinne des § 23 KSchG.

Zur Frage, ob der Betriebsbezug des Schwellenwertes in § 23 KSchG weiterhin verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn angesichts der von der Arbeitgeberin geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung des Kleinbetriebs bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwid­rigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führte (BAG v. 19.07.2016 – 2 AZR 468/15; BAG v. 28.10.2010 – 2 AZR 392/08; BVerfG v. 27.01.1998 – 1 BvL 15/87).