Das Verwaltungsgericht Neustadt hat mit Urteil vom 23.01.2020 zum Aktenzeichen 4 K 643/19.NW entschieden, dass ein Nachbar eines Gefahrstofflagers nicht gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Lagers mit der Begründung klagen kann, die Genehmigung weise Verfahrensfehler sowie eine inhaltliche Unbestimmtheit und mangelnde Schutzvorkehrungen auf.
Aus der Pressemitteilung des VG Neustadt Nr. 1/2020 vom 24.01.2020 ergibt sich:
Stein des Anstoßes für die vom Vorsitzenden der Bürgerinitiative „Kein Gefahrgutlager“ erhobene Klage war die im März 2017 beantragte Erweiterung des Gefahrstofflagers in Lingenfeld von bisher 70 Tonnen auf zukünftig 1900 Tonnen giftiger, brennbarer und ätzender Stoffe. Im Rahmen einer Akteneinsicht informierte sich der Kläger über die Genehmigung aus dem Jahr 2012 und rügte insbesondere Verfahrensfehler und eine inhaltliche Unbestimmtheit sowie mangelnde Schutzvorkehrungen. Seines Erachtens hätte schon damals die Öffentlichkeit beteiligt werden müssen. Zudem sei in der Genehmigung keine Frist zur Inbetriebnahme des Lagers gesetzt worden. Ferner sei die tatsächliche Inbetriebnahme ohne das Einvernehmen des Landkreises erfolgt, obwohl die Herstellung des Einvernehmens in der Genehmigung vorgeschrieben sei. Inhaltlich sei die Genehmigung zu unbestimmt, da nicht genau festgelegt sei, welche Stoffe im Einzelnen gelagert werden dürften. In der Genehmigung stehe zwar, dass nur die Lagerung „giftiger“ Stoffe genehmigt sei. Tatsächlich ergebe sich aber aus einer der Genehmigung beigefügten Stoffliste, in der nicht die tatsächlich gelagerten Stoffe aufgeführt würden, sondern nur „Stoffbeispiele“, dass alle Stoffe der Gefahrstoffklasse 6.1A gelagert werden dürften. Die Gefahrstoffklasse 6.1A umfasse aber „sehr giftige“ Stoffe. Zudem halte das Gefahrstofflager aufgrund seiner stofflichen Unbestimmtheit nicht die nach der Störfallverordnung einzuhaltenden Sicherheitsabstände zu seinem Wohnhaus ein.
Das VG Neustadt hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Kläger unabhängig von der Frage, ob er so lange Zeit nach Erteilung der Genehmigung noch anfechtungsberechtigt ist, jedenfalls durch die immissionschutzrechtliche Genehmigung nicht in seinen eigenen Rechten verletzt. Die vom Kläger angeführten Verfahrensfehler, d.h. die fehlende Öffentlichkeitsbeteiligung, Fristsetzung und Einvernehmensherstellung könnten der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da der Kläger als Nachbar des Vorhabens nur die Verletzung solcher Vorschriften rügen könne, die seinem Schutz zu dienen bestimmt seien. Das sei bei den Verfahrensvorschriften nicht der Fall.
Die Genehmigung sei auch nicht zu unbestimmt, da darin klargestellt sei, dass lediglich Hydraulik- und Getriebeöl sowie Trockenbatterien eingelagert würden. Da diese giftige, ätzende und brennbare Bestandteile hätten, sei in der Genehmigung festgeschrieben, dass ebensolche Stoffe gelagert werden dürften. Es sei nicht erforderlich, dass in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung jeder einzelne Stoff, der gelagert werden soll, aufgeführt werde. Die Nennung von Stoffklassen reiche aus. Dass die Gefahrstoffklasse 6.1A in der Stoffliste aufgeführt sei, ändere nichts daran, dass nur die Lagerung der genannten, d.h. „giftiger“, brennbarer und ätzender Stoffe, zulässig sei. Die Gefahrstoffklasse 6.1A umfasse zwar sowohl „giftige“ als auch „sehr giftige“ Stoffe. Durch die Klarstellung in der Einleitung der Genehmigung sei aber gesichert, dass tatsächlich nur „giftige“ und nicht auch „sehr giftige“ Stoffe gelagert werden dürften.
Hinsichtlich der einzuhaltenden Sicherheitsabstände verwies das Verwaltungsgericht auf die umfangreichen Gutachten zum Gefahrenpotential der gelagerten Stoffe, die Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung seien.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung zum OVG Koblenz eingelegt werden.