Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 07.02.2019 zum Aktenzeichen C-322/17 entscheiden, dass das Unionsrecht es nicht verlangt, dass eine Person eine Beschäftigung in einem Mitgliedstaat ausübt, um dort Familienleistungen für ihre Kinder zu beziehen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Zudem ist der entsprechende Anspruch auf Familienleistungen nicht auf den Fall beschränkt, dass der Antragsteller zuvor eine beitragsabhängige Leistung erhalten hat. Im Januar 2009 beantragte Herr Eugen Bogatu, ein seit dem Jahr 2003 in Irland wohnender rumänischer Staatsangehöriger, bei den irischen Behörden die Gewährung von Familienleistungen für seine beiden Kinder, die in Rumänien wohnen. Herr Bogatu übte von 2003 bis2009 eine Beschäftigung in Irland aus. Nachdem er im Jahr 2009 seinen Arbeitsplatz verloren hatte, bezog er eine beitragsabhängige Leistung bei Arbeitslosigkeit (2009 –2010), dann eine beitragsunabhängige Leistung bei Arbeitslosigkeit (April 2010 –Januar 2013) und schließlich eine Leistung bei Krankheit (2013 –2015).Die irischen Behörden teilten Herrn Bogatu ihre Entscheidung mit, seinem Antrag auf Familienleistungen stattzugeben, außer im Hinblick auf den Zeitraum von April 2010 bis Januar 2013. Diese Weigerung wurde damit begründet, dass der Antragsteller in diesem Zeitraum ihrer Ansicht nach keine der Voraussetzungen erfüllt habe, die ihn zum Bezug von Familienleistungen für seine in Rumänien wohnenden Kinderberechtigten, da er in Irland weder eine Beschäftigung ausgeübt noch eine beitragsabhängige Leistung bezogen habe. Herr Bogatu focht diese Entscheidung mit der Begründung an, dass sich die irischen Behörden auf eine fehlerhafte Auslegung des Unionsrechts gestützt hätten. Der mit dem Rechtsstreit befasste High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit1dahin auszulegen ist, dass für den Anspruch einer Person, deren Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, auf Familienleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem diese Person wohnt, Voraussetzung ist, dass sie eine Beschäftigung in diesem Mitgliedstaatausübt oder dort aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht. In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof erstens fest, dass die Verordnung bestimmt, dass eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats hat, als ob sie in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Sie verlangt daher nicht, dass eine solche Person über eine besondere Stellung und insbesondere über die Stellung eines Arbeitnehmers verfügt, um Anspruch auf Familienleistungen zu haben. Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass aus dem Kontext und der Zielsetzung der Verordnung hervorgeht, dass die Familienleistungen für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, aus mehreren Gründen zu gewähren sein können und nicht nur aufgrund einer Beschäftigung.
Schließlich betont der Gerichtshof, dass die Verordnung das Ergebnis einer Gesetzesentwicklung ist, die insbesondere den Willen des Unionsgesetzgebers widerspiegelt, den Anspruch auf Familienleistungen auf andere Kategorien von Personen als nur auf Arbeitnehmer zu erstrecken. Zweitens stellt der Gerichtshof fest, dass die Verordnung den Anspruch auf Bezug von Familienleistungen für Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, nicht von dem Erfordernis abhängig macht, dass der Antragsteller Geldleistungen aufgrund oder infolge einer Beschäftigung bezieht. Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass für den Anspruch einer Person auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat für ihre Kinder, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, weder Voraussetzung ist, dass diese Person in dem ersten Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, noch, dass sie dort aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht.
Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach, LL.M. vertritt Sie im Sozialrecht.