Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschlüssen vom 22.02.2021 zu den Aktenzeichen 13 MN 58/21 und 13 MN 54/21 zwei Anträge auf vorläufige Außervollzugsetzung der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (im Folgenden: Corona-VO) angeordneten Schließung von Fitnessstudios abgelehnt.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 7/2021 vom 24.02.2021 ergibt sich:
In einem Verfahren hatte sich ein Antragsteller, der im Großraum Hannover mehrere Fitnessstudios betreibt, an das Gericht gewandt (Az.: 13 MN 58/21). In dem anderen Verfahren hatte ein Mitglied eines im Emsland gelegenen Fitnessstudios u.a. geltend gemacht, das Studio vor seiner Schließung regelmäßig besucht zu haben und aus gesundheitlichen Gründen auf den Besuch angewiesen zu sein (Az.: 13 MN 54/21).
Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat die Anträge nach einer sogenannten Folgenabwägung abgelehnt. Für den Senat sei derzeit offen, ob § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Corona-VO in einem Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären sei.
Der Senat gehe zwar davon aus, dass unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens die Voraussetzungen für den Erlass infektionsschutzrechtlicher Schutzmaßnahmen weiterhin erfüllt seien. Es sei aber zweifelhaft, ob die streitgegenständlichen Betriebsschließungen in Gänze noch erforderlich seien. Auch wenn dazu im Eilverfahren keine abschließenden Feststellungen getroffen werden könnten, sei nicht ausgeschlossen, dass mildere, aber hinreichend effektive andere Mittel zur Verfügung stünden. Dafür kämen etwa ein verbessertes betriebliches Hygienekonzept (z.B. mit Nachweisen der Infektionsfreiheit vor Zugang zum Studio, mit besonderen Anforderungen an die zu tragenden Mund-Nasen-Bedeckungen, mit Maßnahmen zur Kontaktdatennachverfolgung und mit technischen Maßnahmen zum Austausch oder zur Reinigung der Raumluft) einhergehend mit einer Verbesserung der staatlichen Überwachung und des Vollzugs angeordneter Schutzmaßnahmen sowie ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung in Betracht.
Angesichts der bereits mehrere Monate andauernden Entwicklung und der damit verbundenen immer gewichtiger werdenden Nachteile für die von den Betriebsschließungen Betroffenen und die gesamte Volkswirtschaft sei derzeit im Rahmen eines Eilverfahrens auch nicht abschließend zu klären, ob die streitgegenständlichen Betriebsschließungen in Gänze noch angemessen seien.
Ein Verstoß gegen das Willkürverbot sei allerdings nicht festzustellen. Die unterschiedliche Behandlung der Fitnessstudios gegenüber dem weiterhin möglichen Individualsport (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Corona-VO) erscheine unter Berücksichtigung und Abwägung der widerstreitenden Ziele der Vermeidung von Kontakten einerseits und der Ermöglichung der sportlichen Betätigung im Rahmen der geltenden privaten Kontaktbeschränkungen andererseits nicht willkürlich. Zudem nehme der Antragsgegner die stundenweise Vermietung einzelner Fitnessstudios offensichtlich hin. Auch gegenüber Frisörbetrieben, die ab dem 1. März 2021 wieder öffnen dürften, liege keine willkürliche Ungleichbehandlung vor. Das Haareschneiden betreffe einen regelmäßig auftretenden körperpflegerischen Grundbedarf, der anders als bei anderen körpernahen Dienstleistungen und anders als bei der sportlichen Betätigung kaum durch die Betroffenen selbst erfüllt werden könne.
Im Rahmen der wegen der offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden Folgenabwägung überwiege derzeit noch das Interesse an der Vermeidung von Infektions-, Erkrankungs- und Todesfällen. Ohne die streitgegenständlichen Betriebsschließungen könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung zahlreicher weiterer Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen noch weiter erhöhen.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar.