Das Arbeitsgericht Herne hat mit Urteil vom 28.07.2015 zum Aktenzeichen 2 Ca 479/15 entschieden, dass eine Versetzung vom Nachtdienst in den Tagdienst rechtswidrig ist.
Die Klägerin ist examinierte Altenpflegerin und arbeitet im Altenpflegeheim „A“, das von der Beklagten betrieben wird. Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Klägerin ausschließlich im Nachtdienst als Nachtwache eingesetzt werden sollte oder ob sie auch im Tagdienst arbeiten darf.
Im Jahr 2001 suchte die Beklagte mit einer Stellenausschreibung nach einem oder einer „examinierten/n Altenpfleger/in oder Krankenschwester/-pfleger für die alleinige Nachtwache“ sowie nach einem oder einer „Altenpflegehelfer/in oder Krankenpflegehelfer/in“. Die Klägerin bewarb sich auf die Position als Nachtwache und unterschrieb einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten, der sie offiziell als „Altenpflegerin im Altenheim „A““ einstellte.
Gemäß § 6 des Vertrages waren die Parteien verpflichtet, bei Meinungsverschiedenheiten eine Schlichtungsstelle anzurufen, bevor das Arbeitsgericht eingeschaltet wird. Die Klägerin wurde nach Einstellung ausschließlich im Nachtdienst eingesetzt. Der Vertrag wurde später entfristet, aber die Tätigkeitsbeschreibung und die Regelung zur Schlichtungsstelle blieben unverändert.
Jahrelang arbeitete die Klägerin nur im Nachtdienst, bis die Beklagte beschloss, sie auch im Früh- und Spätdienst einzusetzen. Die Klägerin war jedoch der Meinung, dass sie ausschließlich als Nachtwache angestellt war und klagte dagegen. Sie argumentierte, dass die Umstände ihrer Bewerbung und der langjährige ausschließliche Einsatz als Nachtwache darauf hindeuteten, dass dies ihre Hauptaufgabe sei.
Die Beklagte hingegen hielt fest, dass der Arbeitsvertrag keine Beschränkung auf Nachtdienste enthielt und dass die Klägerin auch zu anderen Diensten herangezogen werden könnte. Sie betonte, dass sie aufgrund des steigenden Krankenstandes der Klägerin flexibel sein müsse und es einfacher sei, einen Ausfall im Tagdienst zu kompensieren. Außerdem verwies sie auf ein ärztliches Attest, dass die konstante Weiterbeschäftigung im Nachtdienst für die Klägerin empfahl.
Die Klägerin forderte, dass die Beklagte sie nicht im Früh- oder Spätdienst einsetzen dürfe, es sei denn aus dringenden Gründen wie der Teilnahme an Dienstbesprechungen. Die Beklagte hingegen lehnte dies ab und argumentierte, dass sie das Recht habe, die Klägerin gemäß ihrem Direktionsrecht verschiedenen Diensten zuzuweisen.
Die zulässige Klage ist begründet, so lautet das Urteil im vorliegenden Fall. Die Klägerin ist gemäß § 611 Abs. 1 BGB nur zur Leistung versprochener Dienste verpflichtet, die als Nachtwache erbracht werden sollen. Dieses Leistungsversprechen bildet zugleich die Grenze des Direktionsrechts der Beklagten gemäß §§ 106 GewO, 315 BGB.
Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien, der die Erbringung von Diensten als „alleinige Nachtwache“ vorsieht, ist durch die gewechselten Willenserklärungen und die darauf basierende Vertragsurkunde gemäß §§ 133, 157 BGB zustande gekommen. Die Annonce der Beklagten nach einer „alleinigen Nachtwache“ und die Bewerbung der Klägerin auf diese Stelle lassen keinen Raum für Zweifel an der Auslegung des Vertragsinhalts.
Die Willenserklärungen der Parteien und die Vertragsurkunden müssen gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass der wirkliche Wille der Erklärenden erforscht wird. Dabei ist der objektive Parteiwille maßgeblich, der aus dem Wortlaut der Erklärungen und den Begleitumständen abgeleitet werden kann. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie der Empfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.
Die Arbeitsplatzbeschreibung als Altenpflegerin steht einer Auslegung als „alleinige Nachtwache“ nicht entgegen, da der Begriff „Altenpflegerin“ sowohl eine Nachtwache als auch eine Altenpflegerin im Schichtdienst umfassen kann. Maßgeblich sind hier die Annonce der Beklagten und die Bewerbung der Klägerin, die unmissverständlich auf eine Stelle als Nachtwache abzielte.
Die Beklagte konnte nicht erfolgreich bestreiten, dass die Klägerin sich auf die Stelle als alleinige Nachtwache beworben hatte. Die fehlende Verwahrung der Bewerbung seitens der Beklagten führt nicht dazu, dass ihr Nichtwissen als ausreichendes Bestreiten im Sinne von § 138 Abs. 4 ZPO zu werten ist. Der Hinweis der Beklagten auf ihre Abschlüsse von reinen Nachtwachenverträgen genügt nicht, um die eindeutige Bewerbung der Klägerin als Nachtwache zu widerlegen.
Die langjährige Tätigkeit der Klägerin ausschließlich als Nachtwache bestätigt die Auslegung des Arbeitsvertrags. Die gelebte Vertragspraxis spricht dafür, dass eine dauerhafte Beschäftigung als Nachtwache vereinbart wurde. Die Möglichkeit, dass sich Arbeitspflichten im Laufe der Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren, ist nicht ausgeschlossen und könnte im vorliegenden Fall zutreffend sein.
Die Frage der Einschränkung des Direktionsrechts aufgrund des Gesundheitszustandes der Klägerin oder anderer Interessen des Arbeitgebers ist nicht entscheidungserheblich, da die Grenze des Direktionsrechts bereits im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Insgesamt ergibt sich aus den vorliegenden Umständen und der Vertragsauslegung eindeutig, dass die Klägerin ausschließlich als Nachtwache beschäftigt werden sollte und somit die Klage begründet ist.