Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat am 30.06.2020 zum Aktenzeichen VerfGH 63/20.VB-2 und VerfGH 76/20 eine Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, die die Durchführung der Kommunalwahlen 2020 betrafen.
Aus der Pressemitteilung des VerfGH NRW vom 06.07.2020 ergibt sich:
Die aktuelle Kommunalwahlperiode endet am 31.10.2020. Die allgemeinen Kommunalwahlen finden nach § 14 Abs. 2 Satz 3 des Kommunalwahlgesetzes im vorletzten oder letzten Monat der laufenden Wahlperiode statt; den genauen Wahltag bestimmt das Ministerium des Innern (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Kommunalwahlgesetz). Der Termin für die Kommunalwahlen 2020 wurde unter Beachtung dieser Vorgaben im September 2019 auf den 13.09.2020 festgesetzt.
Nach § 15 Abs. 2 Satz 3 des Kommunalwahlgesetzes müssen Wahlvorschläge von Parteien und Wählergruppen, die nicht ununterbrochen in der zu wählenden Vertretung, der Vertretung des zuständigen Kreises, im Landtag oder aufgrund eines Wahlvorschlags aus dem Land im Bundestag vertreten sind, je nach Größenordnung des Wahlbezirks von bis zu 20 Wahlberechtigten aus dem jeweiligen Wahlbezirk persönlich und handschriftlich unterzeichnet sein. Die Wahlvorschläge müssen spätestens am 59. Tag vor der Wahl (hier ursprünglich am 16.07.2020), 18:00 Uhr, beim Wahlleiter eingereicht werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Kommunalwahlgesetz). Mit Erlass vom 20.05.2020 teilte das Ministerium des Innern mit, dass die Kommunalwahlen wie geplant am 13.09.2020 stattfinden sollen. Am 03.06.2020 trat das Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 in Kraft, mit dem der Landesgesetzgeber auf mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die anstehenden Kommunalwahlen reagierte. Nach § 6 des Gesetzes zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020 können Wahlvorschläge nicht nur bis zum 59. Tag, sondern bis zum 48. Tag vor der Wahl (hier: 27.07.2020), 18:00 Uhr, beim Wahlleiter eingereicht werden. Ferner wurde die Anzahl der notwendigen Unterstützungsunterschriften für Wahlbezirksvorschläge und Reservelisten auf 60% des sonst erforderlichen Quorums gesenkt (vgl. §§ 7 und 8 des Gesetzes zur Durchführung der Kommunalwahlen 2020).
Der Beschwerdeführer im Verfassungsbeschwerdeverfahren VerfGH 63/20.VB-2 beabsichtigte die Gründung einer örtlichen Wählervereinigung, die zwischenzeitlich erfolgt ist. Bei dem Antragsteller im Verfahren VerfGH 76/20 handelt es sich um den Landesverband der Familien-Partei Deutschlands, der in der Hauptsache – über die noch nicht entschieden ist – ein Organstreitverfahren anhängig gemacht hat und darüber hinaus den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrte. Der Beschwerdeführer und der Antragsteller trugen im Wesentlichen vor, Kontaktsperren sowie Versammlungs- und Reiseverbote machten es unmöglich, die Fristen für die Aufstellung der Kandidierenden, die Einreichung der Wahlunterlagen und das Sammeln von Unterstützungsunterschriften einzuhalten. Auch der Wahlkampf sei insbesondere für die kleinen Parteien und Wählervereinigungen stark eingeschränkt. Dies verletze den Grundsatz der Chancengleichheit. Die Absenkung des Unterschriftsquorums und die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge seien nicht ausreichend, um die pandemiebedingten Nachteile auszugleichen. Der Beschwerdeführer machte mit seiner Verfassungsbeschwerde geltend, der Termin der Kommunalwahlen sei deshalb auf den 01.11.2020 oder das Frühjahr 2021 zu verschieben. Ferner müsse auf das Erfordernis zur Beibringung der Unterstützungsunterschriften unter den aktuellen Bedingungen verzichtet werden. Der Antragsteller im Organstreitverfahren begehrte mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Ministerium des Innern die Verschiebung des Wahltermins aufzugeben.
Der VerfGH Münster hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs ist die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde im Wesentlichen damit zu begründen, dass der Gesetzgeber auf die pandemiebedingten Erschwernisse bei der Sammlung der sog. Unterstützungsunterschriften durch die Absenkung der Quoren und die Verlängerung der Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge in einer verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise reagiert hat. Auch die Verlängerung der Wahlperiode durch den Gesetzgeber – die bei einer Verschiebung der Wahlen über den 31.10.2020 hinaus notwendig sei – sei verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich. Die Durchführung der Kommunalwahlen am Ende der laufenden Wahlperiode sei durch das im Demokratieprinzip wurzelnde Gebot der Periodizität von Wahlen gerechtfertigt. Mit der Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde hat sich der vom Beschwerdeführer ebenfalls gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
Zur Begründung der Ablehnung des Antrags der Familien-Partei Deutschlands auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Verfassungsgerichtshof v.a. ausgeführt, dass sich der in der Hauptsache anhängige Organstreit bei summarischer Prüfung als voraussichtlich unbegründet erweise. Die Entscheidung für den konkreten Wahltermin am 13.09.2020 habe das Ministerium des Innern im Wesentlichen darauf gestützt, dass bei einem Wahltermin ab dem 27.09.2020 entweder der Haupt- oder der Stichwahltermin in die Herbstferien falle. Ferienbedingte Abwesenheiten wirkten sich nachteilig sowohl auf die Wahlorganisation als auch auf die Wahlteilnahme aus. Eine Verschiebung über den 31.10.2020 hinaus sei dem Ministerium des Innern aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich. Die mit diesen Erwägungen begründete Entscheidung für die Beibehaltung des Wahltermins verstoße weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Darüber hinaus gehe auch die – von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige – Folgenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.