Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 10.07.2019 zum Aktenzeichen C-649/1 entschieden, dass eine Online-Plattform wie Amazon nicht verpflichtet ist, dem Verbraucher vor Vertragsabschluss stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen, sondern dass auch ein anderes Kommunikationsmittel ausreicht, über das der Verbraucher schnell mit dem Unternehmen in Kontakt treten und effizient kommunizieren kann.
Aus der Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs mit der Nr. 89/2019 vom 10.07.2019 ergibt sich:
Amazon EU bietet verschiedene Waren ausschließlich online zum Kauf an; in Deutschland erfolgt dies über die Internetseite www.amazon.de. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (im Folgenden: Bundesverband) verklagte Amazon vor den deutschen Gerichten mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass das Unternehmen gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstoße, dem Verbraucher effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung zu stellen, weil es die Verbraucher nicht in klarer und verständlicher Weise über seine Telefonnummer und seine Telefaxnummer informiere. Der Rückrufservice von Amazon erfülle die Informationspflichten nicht, da für den Verbraucher eine Vielzahl von Schritten erforderlich sei, um mit einem Ansprechpartner des Unternehmens in Kontakt zu treten. Nach deutschem Recht ist nämlich der Unternehmer verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen stets seine Telefonnummer anzugeben.
Vor diesem Hintergrund möchte der in letzter Instanz mit dem Rechtsstreit befasste BGH vom EuGH wissen, ob die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher 2011/83/EU (ABl. 2011, L 304, 64) einer solchen nationalen Regelung entgegensteht und ob der Unternehmer verpflichtet ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Der BGH möchte auch wissen, ob ein Unternehmer wie Amazon auf andere Kommunikationsmittel zurückgreifen kann, wie etwa einen Internet-Chat oder ein Rückrufsystem.
Der EuGH hat entschieden, dass eine Online-Plattform wie Amazon nicht verpflichtet ist, dem Verbraucher eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen, sondern dass das Unternehmen frei wählen kann, welche Mittel es für den Kontakt mit dem Verbraucher zur Verfügung stellen will.
Nach Auffassung des EuGH steht die Richtlinie einer solchen nationalen Regelung entgegen, und der Unternehmer sei nach der Richtlinie nicht verpflichtet, einen Telefonanschluss oder Telefaxanschluss bzw. ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher stets mit ihm in Kontakt treten könnten. Die Richtlinie verpflichte nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer bzw. seiner E-Mail-Adresse, wenn der Unternehmer über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfüge. Zudem verpflichte die Richtlinie den Unternehmer, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das eine direkte und effiziente Kommunikation gewährleiste, wobei der Unternehmer auf andere Kommunikationsmittel als die in der Richtlinie genannten zurückgreifen könne, um diese Pflichten zu erfüllen.
Die Richtlinie verfolge den Zweck, ein hohes Verbraucherschutzniveau dadurch sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert werde. Hierzu sei die Möglichkeit für den Verbraucher, mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufzunehmen und effizient mit ihm zu kommunizieren, von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und wirksame Durchsetzung der Verbraucherrechte, insbesondere des Widerrufsrechts. Gleichwohl sei ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, wie aus derselben Richtlinie hervorgehe, und dabei die unternehmerische Freiheit des Unternehmers, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistet werde, zu wahren.
Nach Auffassung des EuGH erscheint eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können, unverhältnismäßig. Hinsichtlich der Bedeutung der in der Richtlinie enthaltenen Wendung „gegebenenfalls“ bezüglich der drei gängigen Kommunikationsmittel zwischen Verbraucher und Unternehmer (Telefon, Telefax, E-Mail) ist der EuGH trotz der Unterschiede zwischen den Sprachfassungen der Ansicht, dass diese Wendung die Fälle erfasst, in denen der Unternehmer über ein solches Kommunikationsmittel verfügt und es den Verbrauchern zur Verfügung stellt.
Darüber hinaus stehe die Richtlinie dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel zur Verfügung stelle (wie etwa ein elektronisches Kontaktformular, einen Internet-Chat oder ein Rückrufsystem), sofern dadurch eine direkte und effiziente Kommunikation zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer ermöglicht werde. Dies setze voraus, dass die Informationen bezüglich dieser Kommunikationsmittel dem Verbraucher in klarer und verständlicher Weise zugänglich gemacht werden.
Es sei Sache der nationalen Gerichte, zu beurteilen, ob die dem Verbraucher vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel es dem Verbraucher ermöglichten, mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren, und ob die Informationen über diese Kommunikationsmittel in klarer und verständlicher Weise zugänglich seien. In Bezug auf diesen letzten Punkt sei festzustellen, dass der Umstand, dass eine Telefonnummer erst nach einer Reihe von Klicks auf der Internetseite verfügbar sei, als solcher nicht impliziere, dass die zur Übermittlung der Information an den Verbraucher verwendete Art und Weise nicht klar und verständlich sei.