Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 24.06.2020 zu den Aktenzeichen 4 U 33/20 und 4 U 42/20 entschieden, dass zwei Schülerinnen, die bei einer Schauübung der Feuerwehr im Rahmen des Schulunterrichts schwer verletzt wurden, keine Schmerzensgeldansprüche geltend machen können.
Aus der Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 24.06.2020 ergibt sich:
Dem liegt zugrunde, dass bei einer Vorführung im Rahmen der alljährlichen Brandschutzerziehung der Freiwilligen Feuerwehr Bad Urach in der dortigen Geschwister-Scholl-Realschule im April 2018 eine Stichflamme mehrere Schüler der 5. Klasse verletzte. Ein Feuerwehrmann hatte in eine bereits durch ein vorheriges Feuer erhitzte Bratpfanne Brennspiritus gespritzt, der die Stichflamme verursachte. Die zum Teil sehr schwer an Gesicht und Oberkörper verletzten Klägerinnen erhalten Leistungen wie Kostenübernahmen und Rentenzusagen der Unfallkasse Baden-Württemberg, nachdem die gesetzliche Unfallversicherung den Unfall als Schulunfall anerkannt hatte. Mit ihren Klagen gegen die Stadt Bad Urach als Anstellungskörperschaft der Feuerwehrleute machen die Klägerinnen Schmerzensgeldansprüche geltend und verlangen im einem Fall 120.000 Euro, im anderen 9.000 Euro Schmerzensgeld.
Das LG Tübingen hatte in beiden Verfahren die Klage gegen die Stadt abgewiesen. Zwar lägen die Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch vor, die Stadt könne sich jedoch erfolgreich auf einen Haftungsausschluss nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII berufen.
Das OLG Stuttgart hat die Urteile des LG Tübingen bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts steht dem Anspruch der Klägerinnen gegen die Stadt als Trägerin der freiwilligen Feuerwehr entgegen, dass die Feuerwehrleute den Schülerinnen wegen des gesetzlichen Haftungsausschlusses nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII nicht nach § 839 BGB haften, so dass auch keine Forderung gemäß Art 34 GG auf die Stadt als Sachkostenträgerin der Realschule übergehen könne.
Dieser Haftungsausschluss folge zum einen daraus, dass das Gericht an die Entscheidung der gesetzlichen Unfallversicherung über ihre Zuständigkeit für die Schadensersatzansprüche gebunden sei (§ 108 Abs. 1 SGB VII) und zum anderen daraus, dass die Feuerwehrleute nach § 105 Abs. 1 SGB VII nur bei vorsätzlichem Handeln haften würden.
Die Bindungswirkung des Gerichts aus § 108 Abs. 1 SGB VII gelte insbesondere für die Feststellung, dass die Klägerinnen als gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII versicherte Schülerinnen einen „Arbeitsunfall“ in Form eines Schulunfalls erlitten haben und die gesetzliche Unfallversicherung für diesen Versicherungsfall einzustehen hat. Somit sei eine Haftung der Stadt als Schulträgerin und insoweit Unternehmerin gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen.
Eine Amtshaftung der Stadt als Trägerin der Freiwilligen Feuerwehr wegen der fahrlässigen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die bei der Schauübung tätigen Feuerwehrleute scheide ebenfalls aus, da deren Haftung aufgrund der Eingliederung in den Schulunterricht ihrerseits nach §§ 105 Abs. 1 ,106 Abs. 1 Nr.3 SGB VII ausgeschlossen sei. Unstreitig hätten die Feuerwehrleute die ihnen bei der Brandschutzübung obliegende Amtspflicht verletzt, eine Gesundheitsschädigung der Klägerinnen zu vermeiden, und dabei fahrlässig gehandelt. Der die Übung abhaltende Feuerwehrmann hätte sich darüber vergewissern müssen, dass die Pfanne, in die er Brennspiritus gespritzt hat, nicht noch vom gerade erst gelöschten Feuer heiß gewesen ist, und hätte auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand der Kinder zur Gefahrenquelle achten müssen. Der Leiter der Übung hätte die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen durch vorherige Planung und während der Übung durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherstellen müssen.
Allerdings seien die Feuerwehrleute im Rahmen des Brandschutzunterrichtes in das „Unternehmen Schule“ einbezogen, so dass die Ansprüche der Schülerinnen wegen der Vorgreiflichkeit der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend § 105 Abs. 1 SGB VII ausschieden. Zur Begründung des Unfallversicherungsschutzes reiche es nach der Rechtsprechung aus, wenn Schüler und Eltern im Zeitpunkt der Durchführung der Veranstaltung nach dem Gesamtbild der objektiven Umstände zu der Auffassung gelangen konnten, dass es sich um eine organisatorisch von der Schule beherrschte Veranstaltung handelt. Der Brandschutzunterricht sei hier als schulbezogen einzustufen. Er habe im Anschluss an die große Pause und im Klassenverbund unter Aufsicht des Lehrers stattgefunden und sei gerade keine vom Schulbesuch getrennte Veranstaltung der freiwilligen Feuerwehr gewesen. Dann müssten die Mitarbeiter eines anderen, vom Schulträger betriebenen Unternehmens, d.h. die Feuerwehrleute, wie „Betriebsangehörige“ betrachten werden, für die das sog. Haftungsprivileg gelte. Kommt es während des Unterrichts dann zur Verletzung eines Schülers aufgrund einer Amtspflichtverletzung durch einen gemeindlichen Mitarbeiter, so sind danach sowohl die Gemeinde als auch der Mitarbeiter haftungsprivilegiert und haften nur bei vorsätzlichem Handeln.
Sinn dieser gesetzlichen Haftungsfreistellung sei letztlich die „Sicherung des Betriebsfriedens“. Zum einen wäre zu befürchten, dass die Durchführung künftiger Veranstaltungen in enger Zusammenarbeit zwischen Schule und Feuerwehr grundsätzlich in Frage gestellt wird, wenn trotz bestehender gesetzlicher Unfallversicherungspflicht im „Unternehmen Schule“ zusätzlich eine Haftung des „Unternehmens Feuerwehr“ bejaht würde. Die gegen die Stadt gerichteten Schmerzensgeldklagen waren daher erfolglos.
Die Revision wurde jeweils nicht zugelassen. Im Verfahren 4 U 33/20 kann eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden.