Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 1024/19 entschieden, dass in einer Dienstaufsichtsbeschwerde die Äußerung:
Ich unterstelle, dass […] er Ihnen gegenüber nur eine Schutzbehauptung gemacht hat. Nach meinem Rechtsempfinden steht es einem Richter ohnehin nicht zu, bei seiner Urteilsverkündung dem Geschädigten mit einem dämlichen Grinsen Ratschläge wie er könne ja Beschwerde gegen sein Urteil einlegen zu erteilen, erst recht wenn er anscheinend davon ausgeht, dass die Beschwerde sowieso nachträglich behandelt wird. Wenn es um das Kinderwohl seiner eigenen Kinder ginge, unterstelle ich […], dass er nicht mehr so lax mit den Terminen umgehen und erst recht nicht dabei dämlich grinsen würde.
keine strafbare Beleidigung darstellt.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.
Dieser Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Bei Anwendung dieser Strafnorm auf die Äußerung im konkreten Fall verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung. Darauf aufbauend erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen.
Der Gesichtspunkt der Formalbeleidigung rechtfertigt die angegriffenen Entscheidungen nicht. Die Beschreibung der Verhaltensweise des Familienrichters mit den Worten, dieser habe dem Beschwerdeführer „mit einem dämlichen Grinsen“ den Ratschlag erteilt, Beschwerde einzulegen, gehört ganz offensichtlich nicht zum kleinen Kreis sozial absolut tabuisierter Schimpfwörter, deren einziger Zweck es ist, andere Personen herabzusetzen.
Die strafgerichtliche Verurteilung kann sich ebensowenig auf den Gesichtspunkt der Schmähkritik stützen. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass eine Schmähung dann vorliegt, wenn eine Äußerung der grundlosen Verächtlichmachung dienen soll, ohne dass es einen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung gibt. Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen die Äußerung, auch wenn sie gravierend ehrverletzend und damit unsachlich ist, letztlich als (überschießendes) Mittel zum Zweck der Kritik eines Sachverhaltes dient. Dann geht es dem Äußernden nicht allein darum, den Betroffenen als solchen zu diffamieren, sondern stellt sich die Äußerung als Teil einer anlassbezogenen Auseinandersetzung dar.
Die angegriffenen Entscheidungen sind auch nicht von einer verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden – hilfsweisen – Abwägung getragen. Sie lassen keine hinreichende Auseinandersetzung mit der konkreten Situation, in der die Äußerung gefallen ist, erkennen und zeigen nicht auf, weshalb das Interesse an einem Schutz des Persönlichkeitsrechts des in seiner Amtsausübung angegriffenen Familienrichters die für die Zulässigkeit der Äußerung sprechenden Gesichtspunkte überwiegt. Sie gehen auf Inhalt, Anlass, Motivation sowie die konkrete Wirkung der Äußerung unter den Umständen des Falles nicht sachhaltig ein.
Für eine Verurteilung hätten die Entscheidungen daher im Einzelnen darlegen müssen, weshalb und inwiefern die Äußerung den Betroffenen über seine Amtsführung hinaus in seiner persönlichen Sphäre derart schwerwiegend herabwürdigte, dass die Abwägung zugunsten des Persönlichkeitsrechts ausfallen konnte.