Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 12.07.2023 zum Aktenzeichen 171 C 3319/23 im Streit um Schadensersatzansprüche aus einem Reisevertrag entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 2.200 Euro abgewiesen wird.
Aus der Pressemitteilung des AG München vom 07.08.2023 ergibt sich:
Der Kläger hatte bei dem beklagten Reiseunternehmen zum Preis von 2.200 Euro eine einwöchige Pauschalreise für sich und eine Mitreisende im November 2022 nach Dubai gebucht. Mangels gültigen Reisepasses konnte der Kläger die Reise nicht antreten und forderte das Reiseunternehmen zur Rückzahlung des Reisepreises auf.
Der Kläger begründete dies damit, dass er durch das Reisebüro nicht explizit über Pass- und Visumserfordernisse oder Fristen zur Erlangung entsprechender Dokumente informiert worden sei.
Das Amtsgericht München wies die Klage auf Schadensersatz mangels Verletzung von Informationspflichten ab und führte in den Entscheidungsgründen wie folgt aus:
„Ein Zahlungsanspruch ergibt sich weder aus §§ 651i Abs. 1, 3 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB i. V. m. § 651d Abs. 1 BGB noch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB i. V. m. § 651d Abs. 1 BGB, da es bereits an einer Verletzung von Informationspflichten i. S. d. § 651d Abs. 1 BGB durch die Beklagte bzw. das vermittelnde Reisebüro fehlt. (…)
Die besonderen Gewährleistungsrechte des Reisevertragsrechts sind zwar mit Abschluss des Vertrags anwendbar (…). Es besteht jedoch schon keine Informationspflicht der Beklagten als Reiseveranstalter über das Erfordernis des „Vorhandenseins“ eines (gültigen) Reisepasses. (…)
In Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB findet sich die explizite Regelung einer vorvertraglichen Unterrichtungspflicht, wonach der Reiseveranstalter den Reisenden über „allgemeine Pass- und Visumserfordernisse des Bestimmungslandes“, einschließlich der ungefähren Fristen für die Erlangung von Visa informieren muss. Ist der Hinweis hinreichend und rechtzeitig gegeben, muss wiederum der Reisende entsprechend seiner Mitwirkungspflicht die erforderlichen Dokumente vorhalten (…).
Der Hinweis auf die Notwendigkeit des „Vorhandenseins“ eines (gültigen) Reisepasses ist allerdings nicht von Art. 250 § 3 Nr. 6 EGBGB umfasst, da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt. Dies ergibt sich insbesondere aus den hinter Art. 250 § 3 EGBGB stehenden teleologischen Erwägungen.
Demnach sollen die den Reiseveranstalter treffenden Informationspflichten den Reisenden auf Umstände hinweisen, die ihm möglicherweise unbekannt sind, weil dieser mit der Reise gerade auch unbekanntes Terrain erkunden möchte. Der Reiseveranstalter hat die hierfür erforderliche Organisation übernommen und somit ein Informationsgefälle gegenüber dem Reisenden auszugleichen. Mit den reiserechtlichen Informationspflichten soll der Reisekunde deshalb vornehmlich über Umstände informiert werden, die ihm unbekannte Gegebenheiten am Reiseziel sowie den Transport dorthin betreffen und für das Gelingen der Reise erforderlich sind, wozu auch aufenthaltsrechtliche Bestimmungen gehören, ohne deren Beachtung der Reisende das Reiseziel nicht betreten darf.
Die Pflicht zur Information über allgemeine Pass- und Visumerfordernisse bezieht sich allerdings allein auf solche Erfordernisse, die sich aus dem Reise- oder Transitland ergeben, das der Reisende betreten möchte. Der BGH geht daher in seinem Urteil vom 20.05.2014 (X ZR 134/13 – Rn. 12 f., NJW 2014, 2955 zur Einreise eines italienischen Klägers in die Vereinigten Staaten) davon aus, dass die „Gültigkeit“ eines Reisepasses für eine Reise eine Selbstverständlichkeit darstellt und kein sich aus dem Reiseland selbst ergebendes Erfordernis, auf das der Reisende hinzuweisen ist.
Die Gültigkeit betrifft vielmehr nationale Vorschriften, die der Reisende einzuhalten hat. Die Annahme einer solchen Selbstverständlichkeit muss daher erst recht für das „Vorhandensein“ eines Reisepasses gelten. Der Umstand, dass ein Reisedokument benötigt wird, ist nicht allein reiseerfahrenen Touristen bekannt und für solche offenkundig. Schon die allgemeine Lebenserfahrung lässt durch den Begriff „Reise“-Pass darauf schließen, dass ein entsprechendes Dokument grundsätzlich für Reisen erforderlich ist. Auch inländische Bestimmungen, insbesondere die Passpflicht (vgl. §§ 1, 3 PaßG), zeugen davon, dass sich die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines Reisepasses nicht erst aus den Erfordernissen des Reiselandes – hier den Vereinigten Arabischen Emiraten – ergibt, sondern vielmehr aus nationalen Bestimmungen.
Etwas anderes kann sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass innerhalb der Europäischen Union zur Gewährleistung der Freizügigkeit von Unionsbürgern (Art. 21 AEUV) die Besonderheit gilt, die das Vorhandensein eines Personalausweises für Reisen innerhalb der EU-Grenzen ausreichen lässt. Die Freizügigkeit stellt eine unionsrechtliche Ausnahme für Reisen, nicht die Regel dar.“
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.