Das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat am 29.04.2020 zu den Aktenzeichen 3 B 144/20, 3 B 145/20, 3 B 146/20 und 3 B 147/20 in vier Normenkontrollverfahren entschieden, dass großflächiger Einzelhandel (hier: Elektronikfachmärkte) im Zuge der Corona-Pandemie in Sachsen weiterhin geschlossen bleibt.
Aus der Pressemitteilung des Sächs. OVG Nr. 5/2020 vom 29.04.2020 ergibt sich:
Eine Antragstellerin (3 B 144/20) betreibt ihren großflächigen Elektronikfachmarkt mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 m² innerhalb eines Einkaufszentrums. Die anderen drei Antragstellerinnen betreiben diesen außerhalb von Einkaufszentren (3 B 145/20 bis 3 B 147/20). Die Antragstellerinnen machten geltend, durch die angeordnete Schließung der Märkte sei wegen fehlenden Umsatzes und weiterhin bestehender Mietzahlungspflicht die Existenz ihrer eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe bedroht. § 7 der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung (SächsCoronaSchVO) vom 17.04.2020 (SächsGVBl. S. 170) sei nicht hinreichend bestimmt. Die Regelungen seien unverständlich und nicht verhältnismäßig. Es sei nicht erkennbar, weshalb Autohäuser, Buch- und Fahrradläden zur Grundversorgung gehörten, nicht aber Elektrofachmärkte. Die dort angebotenen Waren, namentlich Rundfunk-, Fernseh- und Internetgeräte sowie Küchentechnik, zählten in Zeiten der Kontaktbeschränkung und geschlossener Gastronomiebetriebe ebenfalls zur Grundversorgung. Unverhältnismäßig und gleichheitswidrig sei die Beschränkung der Öffnungsmöglichkeit von Ladengeschäften mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 m². In großflächigen Märkten verteilten sich Besucher besser. Die Antragstellerinnen stellten Anträge, die SächsCoronaSch-VO teilweise außer Vollzug zu setzen oder die Vollstreckung entsprechender Anordnungen vorläufig außer Vollzug zu setzen.
Das OVG Bautzen hat die Anträge abgelehnt.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt in § 7 SächsCoronaSchVO angeordnete landesweite Schließung von Geschäften des Einzelhandels und sonstiger Geschäfte nach vorläufiger Bewertung von den Regelungen in § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes gedeckt. Danach seien die Landesregierungen ermächtigt, auch durch Rechtsverordnungen Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.
Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 SächsCoronaSchVO geregelte Schließung von Einkaufszentren und großflächigem Einzelhandel genüge im Rahmen der summarischen Prüfung noch den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen.
Der Betrieb von großflächigen Einzelhandelsgeschäften sei nach den Ausnahmebestimmungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 SächsCoronaSchVO nur für Ladengeschäfte erlaubt, die für den täglichen Bedarf und die Grundversorgung notwendige Waren anböten. In Einkaufszentren und innerhalb des großflächigen Einzelhandels sei die Öffnung von Ladengeschäften zulässig, die über einen separaten Kundenzugang von Außen und nicht mehr als 800 m² Verkaufsfläche verfügten. Eine Reduzierung der Ladenfläche auf 800 m² (oder ähnliche Maßnahmen) sei unzulässig (§ 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Satz 2 SächsCoronaSchVO).
Die Schließung von Einkaufszentren und die geregelten Ausnahmen seien sachgerecht, da die dort angesiedelten Geschäfte in der Regel ein breit gefächertes Warenangebot anböten und daher viele Kunden anzögen. Die Verbindungswege zwischen den einzelnen Geschäften lägen meist nicht im Freien, sondern innerhalb eines Gebäudekomplexes. Kunden sei es dort nur eingeschränkt möglich, die gebotenen Mindestabstände einzuhalten.
Das Ziel der Reduzierung dieser Kundenströme sei deshalb nicht willkürlich.
Auch die vom Verordnungsgeber in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SächsCorona-SchVO getroffene beispielhafte Aufzählung von Ladengeschäften für die Grundversorgung, die unabhängig von der Größe ihrer Verkaufsfläche öffnen dürfen, sei nicht willkürlich. Dies gelte auch im Hinblick auf Autohäuser, Kfz- und Fahrradwerkstätten sowie bei Büchergeschäften. Zwar treffe es zu, dass Autos und Fahrräder in der Regel für längere Zeiträume angeschafft würden.
In Zeiten wie jetzt, in denen der öffentliche Nahverkehr eingeschränkt sei und viele Menschen wegen des Infektionsrisikos mitunter öffentliche Verkehrsmittel meiden würden, könne es für die Bürger wichtig sein, Fortbewegungsmittel kaufen zu können oder diese in Werkstätten reparieren lassen zu können. Dies gelte insbesondere im ländlichen Bereich und für sog. systemrelevante Berufe oder für Bürger, die im Schichtbetrieb arbeiteten.
Die Öffnung von Geschäften des Buchhandels sei für die Bildung (Schule, Studium etc.) aber auch zur Berufsausübung von Bedeutung.
Das Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes seien nicht dadurch verletzt, dass Teilabsperrungen bei Geschäftsgrößen von mehr als 800 m² Verkaufsfläche unzulässig seien. Anders als in Bayern müsse diese Regelung nicht ausgelegt werden, sodass lediglich zu prüfen sei, ob der sächsische Verordnungsgeber seinen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum überschritten habe, was voraussichtlich nicht der Fall sei.
Die sächsischen Regelungen seien im Vergleich zu denjenigen anderer Bundesländer auch nicht unbedingt restriktiver; der sächsische Verordnungsgeber habe im Unterschied zu anderen Bundesländern entschieden, hinsichtlich des Sortiments ein Mehr an Ladenöffnungen zu gestatten.
Sollten die mit Inkrafttreten der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vorgenommenen Lockerungen nicht zu einer Verschlechterung der für die Beurteilung der Gefährdungslage maßgeblichen Parameter führen, was derzeit ungewiss sei, werde der Verordnungsgeber im Falle ihrer Neufassung oder Fortschreibung zu erwägen haben, inwieweit und unter welchen flankierenden weiteren Anordnungen bei Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandelsmärkten weitergehende Ladenöffnungen möglich seien.
Die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüsse sind unanfechtbar.