Keine Klärung hinsichtlich des fraglichen Initiativrechts des Betriebsrats zur Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung

18. Dezember 2021 -

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 24.08.2021 zum Aktenzeichen 3 TaBV 29/21 entschieden, dass derzeit noch keine Klärung des BAG hinsichtlich der streitigen Frage existiert, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung zusteht.

Die alte Rechtsprechung des BAG ist zur Begründung einer gefestigten höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Fragestellung nicht geeignet.

Demnach ist eine Einigungsstelle zur Regelung der Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassung derzeit nicht offensichtlich unzuständig und konsequenterweise nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG einzusetzen.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zum Thema „Gleitende Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung„.

Im Betrieb findet eine ungekündigte „Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit“ vom 06.03.2018 Anwendung.

Diese gilt allerdings nicht für alle Beschäftigten.

Da die Arbeitgeberin ein elektronisches Zeiterfassungssystem einführen wollte, verhandelten die Betriebsparteien seit Mai 2020 über den Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung zum Thema gleitende Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung.

Eine Einigung zwischen den Betriebsparteien kam jedoch nicht zustande.

Die Arbeitgeberin hat zwischenzeitlich von dem Vorhaben der Einführung eines technischen Arbeitszeiterfassungssystems Abstand genommen und reagierte zuletzt nicht mehr auf Anfragen des Betriebsrats, so dass dieser die Verhandlungen für gescheitert erklärte und beschloss, die Einigungsstelle anzurufen.

Der Betriebsrat hat die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt.

Das ArbG Essen hat den Antrag abgewiesen, da die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei.

Denn im Betrieb existiere eine ungekündigte Betriebsvereinbarung zum Thema Gleitzeit, in der auch die Arbeitszeiterfassung
zum Teil geregelt sei.

Die Beschwerde des Betriebsrats hat Erfolg.

Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung“ einzusetzen ist. Die Einigungsstelle ist für das Regelungsthema nicht offensichtlich unzuständig.

Bei der Feststellung einer offensichtlichen Unzuständigkeit ist entscheidend, dass ein Mitbestimmungsrecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unter keinem Aspekt denkbar und vertretbar ist.

Das ist in rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn zur Streitfrage des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts eine die Frage verneinende gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt.

„Gefestigt“ in diesem Sinne ist selbst die Rechtsprechung des BAG dann nicht, wenn es sich lediglich um eine vereinzelte, schon einige Zeit zurückliegende Entscheidung handelt, die beachtliche
Kritik erfahren hat.

Zwar hat das BAG in einer Entscheidung aus dem Jahr 1989 und mithin vor mehr als 30 Jahren entschieden, dass dem Betriebsrat kein Initiativrecht auf Einführung einer
technischen Kontrolleinrichtung zukomme.

Diese Rechtsprechung ist allerdings zum einen später nicht bestätigt oder weiterentwickelt worden.

Zum anderen ist ihr schon seit einiger Zeit ein Teil der Instanz- Rechtsprechung und auch ein nicht unerheblicher Teil der Literatur nicht gefolgt.

In einer aktuellen Entscheidung vom 27.07.2021 vertritt das LAG Hamm die Ansicht, dass sich unmittelbar aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Initiativrecht des Betriebsrats auf Einführung einer technischen Arbeitszeiterfassungsanlage ergebe (7 TaBV 79/20).

Wegen Divergenz zu der anderslautenden Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1989 hat das LAG Hamm die Rechtsbeschwerde zugelassen, die unter dem Aktenzeichen 1 ABR 22/21 anhängig ist.

Solange hierüber nicht durch das BAG entschieden ist, kann nach Ansicht des LAG Düsseldorf im Verfahren nach § 100 ArbGG nicht mehr von einer offensichtlichen Unzuständigkeit einer initiativ durch den Betriebsrat beantragten entsprechenden Einigungsstelle gesprochen werden.

Auch die ungekündigte Betriebsvereinbarung begründet keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle.

Das LAG Düsseldorf teilt im Grundsatz zwar die vorherrschend vertretene Ansicht, dass eine abschließende Regelung in einer normativ geltenden Betriebsvereinbarung eine Ablösung durch Spruch der Einigungsstelle hindert.

Die Annahme der (aktuellen) Unzuständigkeit der Einigungsstelle durch die Beschwerdekammer ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der nach § 100 Abs. 1  Satz 2 ArbGG allein entscheidungserheblichen Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit.

Die Einigungsstelle wird zu entscheiden haben, ob bei Annahme einer Sperrwirkung der ungekündigten Betriebsvereinbarung deren Regelungen bereits sämtliche Aspekte des Regelungsstreits der Betriebsparteien abschließend erfassen oder ein abgrenzbarer, ungeregelter und dann auch hinsichtlich des Mitbestimmungsrechts nicht gesperrter Bereich verbleibt.