Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10. Januar 2024 zum Aktenzeichen III ZR 57/23 die gegen den im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. März 2023 (1 U 183/22) von dem Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 017/2024 vom 26.01.2024 ergibt sich:
Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die beklagte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien der inzwischen insolventen Wirecard AG unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und der unionsrechtlichen Staatshaftung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagten, einer selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts, obliegt unter anderem die Aufsicht über die Einhaltung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Dies betrifft vor allem die Bilanzkontrolle und die Marktmissbrauchsüberwachung. In dem Zeitraum vom 21. Dezember 2004 bis zum 31. Dezember 2021 wurde die Bilanzkontrolle auf der Grundlage eines zweistufigen „Enforcement-Verfahrens“ durchgeführt (§§ 37n ff WpHG aF bzw. – ab 3. Januar 2018 – §§ 106 ff WpHG aF).
Als Emittent von Aktien unterlag die Wirecard AG der Finanzmarkaufsicht und der Bilanzkontrolle durch die Beklagte. Die Jahres- und Konzernabschlüsse sowie Lageberichte der Wirecard AG hatte der Abschlussprüfer bis einschließlich für das Geschäftsjahr 2018 jeweils mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk testiert.
Am 18. Juni 2020 veröffentlichte die Wirecard AG eine Ad-hoc-Mitteilung, wonach der Abschlussprüfer mitgeteilt habe, dass über die Existenz von Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. € (etwa ein Viertel der Konzernbilanzsumme) noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlägen. Am 22. Juni 2020 gab der Vorstand der Wirecard AG mittels einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung bekannt, dass vermeintliches Vermögen in Höhe von 1,9 Mrd. € bei zwei Banken auf den Philippinen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehe. Drei Tage darauf beantragte die Wirecard AG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, das am 25. August 2020 durch das Amtsgericht München eröffnet wurde. Bereits in den Jahren zuvor hatte es immer wieder Medienberichte, insbesondere in der „Financial Times“, über (bilanzielle) Unregelmäßigkeiten im Wirecard-Konzern gegeben.
Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 64.833,75 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) beziehungsweise unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlichen Staathaftungsanspruchs zu Recht verneint. Die von der Beschwerde als grundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere zu den Regelungen der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2011/34/EG (Transparenz-Richtlinie) sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung), sind nicht entscheidungserheblich. Die Maßnahmen der Beklagten im Rahmen der Marktmissbrauchsüberwachung und der Bilanzkontrolle bezüglich der Wirecard AG in dem Zeitraum von April 2015 bis Juni 2020 sind weder nach § 6 oder §§ 106 ff WpHG aF noch im Hinblick auf die Regelungen der Transparenz-Richtlinie oder der Marktmissbrauchsverordnung zu beanstanden und waren bei voller Wahrung der Belange einer effektiven Bilanzkontrolle jedenfalls vertretbar. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 1, 3 AEUV ist daher nicht veranlasst. Dies gilt ebenfalls für die Frage, ob § 4 Abs. 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung unanwendbar ist. Auch die anderen Rügen des Klägers (Divergenz zur Senatsrechtsprechung, rechtliches Gehör) greifen nicht durch.
Von einer weiteren Begründung hat der Senat gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.