Das Bundesverwaltungsgericht hat am 09.07.2020 zum Aktenzeichen 3 C 20.18 und 3 C 21.18 entschieden, dass inländische Apotheken ihren Kunden beim Erwerb verschreibungspflichtiger Arzneimittel keine Vorteile in Form von Sachleistungen versprechen und gewähren dürfen.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 43/2020 vom 09.07.2020 ergibt sich:
Die Klägerin ist Inhaberin einer Apotheke im Bezirk der beklagten Apothekerkammer. Im November 2013 und im Januar 2014 gab sie Werbeflyer mit Gutscheinen heraus, die bei Abgabe eines Rezeptes gegen eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar Kuschelsocken eingelöst werden konnten. Die Beklagte untersagte ihr daraufhin durch Ordnungsverfügung vom 01.04.2014, „gekoppelt mit dem Erwerb von verschreibungspflichtigen und/oder sonstigen preisgebundenen Arzneimitteln Vorteile wie z.B. eine Rolle Geschenkpapier, ein Paar Kuschelsocken oder Gutscheine hierfür zu gewähren oder gewähren zu lassen sowie dafür zu werben oder werben zu lassen“. Zur Begründung verwies sie auf ihre Berufsordnung, die es den Apothekerinnen und Apothekern verbiete, preisgebundene Arzneimittel unter Gewährung von Rabatten oder sonstigen geldwerten Vorteilen an ihre Kunden abzugeben. Die dagegen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
Das BVerwG hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BVerwG hat das OVG Münster im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Untersagungsverfügung der Beklagten rechtmäßig ist. Die Klägerin verstoße, indem sie ihren Kunden für den Erwerb eines rezeptpflichtigen Arzneimittels eine Sachzuwendung verspreche und gewähre, gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung. Gemäß § 78 des Arzneimittelgesetzes sei insbesondere für verschreibungspflichtige Arzneimittel ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten; die Einzelheiten der Preisberechnung seien in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften bestehen auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 19.10.2016 (C-148/15 „Deutsche Parkinson Vereinigung e.V. gegen Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.“) keine durchgreifenden Bedenken. Der EuGH hatte entschieden, dass die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine unzulässige Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellt. Seit dieser Entscheidung sei aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht auf Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland anwendbar. Diese könnten daher im Falle des Versands an Kunden in Deutschland Rabatte und Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren. Hierdurch werden die inländischen Apotheken, für die die Arzneimittelpreisbindungsvorschriften weiterhin gelten, nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit verletzt. Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienten vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls. Sie seien geeignet, einen Preiswettbewerb zwischen den inländischen Apotheken zu verhindern und so das Ziel des Gesetzgebers zu fördern, eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen. Die Preisbindung erweise sich auch nicht wegen ihrer Nichtgeltung für ausländische EU-Versandapotheken als unverhältnismäßig. Angesichts des bislang geringen Marktanteils der ausländischen Arzneimittelversender an der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland sei die Preisbindung für die inländischen Apotheken weiterhin zumutbar.