Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat am 15.07.2021 zu den Aktenzeichen 9 S 567/19 und 9 S 568/19 entschieden, dass eine auf Grundlage des reformpädagogischen Konzepts des „Uracher Plans“ betriebene Grundschule bzw. Haupt- und Werkrealschule nicht die Voraussetzungen für die Genehmigung des Betriebs als private Ersatzschule erfüllt.
Aus der Pressemitteilung des VGH BW Nr. 41/2021 vom 04.08.2021 ergibt sich:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Zweck in der Förderung des dezentralen Lernens besteht. Im Jahr 2014 beantragte er die Genehmigung einer privaten Grundschule sowie einer privaten Haupt- und Werkrealschule als Ersatzschulen, in denen dezentrales Lernen nach dem sogenannten Uracher Plan praktiziert wird. Danach soll der Unterricht überwiegend zuhause stattfinden. Er soll ergänzt werden durch eine einmal wöchentlich stattfindende schulische Pflicht-Präsenzveranstaltung, durch Hausbesuche der Lernbegleiter mit am jeweiligen pädagogischen Bedarf orientierter Häufigkeit, einem virtuellen Klassenzimmer über eine Plattform mit voraussichtlich zwei Veranstaltungen pro Woche, nach Bedarf visuellen Kontakten über das Internet sowie dadurch, dass ein Lernbegleiter am Vormittag zu festgelegten Zeiten zum Telefonkontakt zur Verfügung steht.
Die Genehmigungsanträge des Klägers wurden vom Regierungspräsidium nicht beschieden. Am 17. März 2017 hat der Kläger jeweils Klage erhoben. Mit Urteilen vom 29. Januar 2019 hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Klagen abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. In den – im wesentlichen gleichlautenden – Begründungen führt das Verwaltungsgericht aus, die beantragte „Schule“ sei keine Ersatzschule, für die eine Genehmigung zu erteilen wäre. Die streitgegenständliche „Schule“ weiche aufgrund ihrer äußeren Strukturmerkmale von den im öffentlichen Schulwesen Baden-Württembergs verbreiteten Typen derart gravierend ab, dass es aus dem Blickwinkel der staatlichen Schulhoheit von vornherein nicht vertretbar wäre, ihren „Besuch“ dem Besuch einer öffentlichen Schule gleichzustellen und als Erfüllung der Schulpflicht zu werten. Auch ein Rückgriff auf pädagogisch-konzeptionelle Gegebenheiten verhelfe hier nicht zum Vorliegen einer Ersatzschule. Die Unterrichtung der eigenen Kinder durch die Eltern im familiären Umkreis könne danach niemals Schule sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Kinder zahlreich und die Eltern selbst ausgebildete Lehrer seien. Es fehle an der organisatorischen Verselbständigung und Verstetigung und an der gemeinsamen Unterrichtung eines im Laufe der Zeit wechselnden Schülerbestandes. Aus demselben Grund genüge auch die Unterrichtung durch einen Hauslehrer nicht. Schule trete schon begrifflich der Familie gegenüber. Nach dem vorliegenden „Schul“-Konzept entfiele diese Integrationsfunktion der Schule nahezu gänzlich. In einer (echten) Schule begegneten sich unterschiedliche Teile der Gesellschaft.
Ursprünglich war beabsichtigt, im zweiten Quartal 2020 über die Berufungen mündlich zu verhandeln. Der Kläger kündigte jedoch im April 2020 die Vorlage eines rechtswissenschaftlichen Gutachtens zum Schulbegriff an. Im Juli 2020 legte er sodann ein verfassungsrechtliches und im September 2020 ein erziehungswissenschaftliches Gutachten zum Schulbegriff, die jeweils von Professoren gefertigt wurden, vor.
Der VGH Mannheim hat die Berufungen des Schulträgers, eines eingetragenen Vereins mit dem Zweck der Förderung des dezentralen Lernens, gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. Januar 2019 zurückgewiesen.
Der Tenor der Urteile ist den Beteiligten am 04.08.2021 bekanntgegeben worden. Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.
Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann binnen eines Monats nach Zustellung der vollständigen Urteile Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.