Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 12.12.2019 zum Aktenzeichen B 10 ÜG 3/19 R über Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren entschieden.
Aus der Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 12.12.2019 ergibt sich:
In der Hauptsache wendete sich der Großvater des Klägers gegen die Rückforderung überzahlter Rentenleistungen i.H.v. 38.525 Euro. Das nach dessen Tod von seiner Frau, der Großmutter des Klägers, fortgeführte Verfahren endete in der Berufungsinstanz am 07.03.2012 durch Anerkenntnis, mit dem sich der Rentenversicherungsträger auch bereit erklärte, die außergerichtlichen Kosten der Gegenseite zu übernehmen. Am selben Tag stellte der Prozessbevollmächtigte der Großmutter beim Sozialgericht für sie einen Kostenfestsetzungsantrag nach dem Gegenstandswert. Im Juni 2012 beantragte der Bevollmächtigte für sie auch Streitwertfestsetzung beim Landessozialgericht. Nachdem die Kostenbeamtin beim Sozialgericht die anwaltlichen Kosten auf der Grundlage von Betragsrahmengebühren festgesetzt hatte, vertrat das Landessozialgericht die Auffassung, für eine Festsetzung des Streitwerts bleibe kein Raum mehr. Trotz Verzögerungsrüge verwarf das Landessozialgericht den Antrag auf Streitwertfestsetzung erst mit Beschluss vom 14.07.2016. Im Januar 2017 hat die Großmutter des Klägers Entschädigungsklage erhoben und der Kläger diese später als Erbe fortgeführt. Das Entschädigungsgericht hat eine Verzögerung des Verfahrens auf Streitwertfestsetzung um 26 Monate festgestellt und die weitergehende Klage auf Geldentschädigung abgewiesen. Nach den besonderen Umständen des Falles sei eine Geldentschädigung nicht erforderlich. Der Rechtsvorgängerin des Klägers sei durch die unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens allenfalls ein sehr geringer Schaden entstanden. Für sie sei die Festsetzung eines Streitwerts im Ausgangsverfahren – anders als für ihren Prozessbevollmächtigten – wegen der Kostenanerkenntnis des Rentenversicherungsträgers ohne Bedeutung oder wegen der damit verbundenen höheren Anwaltsgebühren sogar nachteilig gewesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 198 GVG. Das Entschädigungsgericht habe grundlegend verkannt, dass auch seine Rechtsvorgängerin ein Interesse an einer bindenden Streitwertfestsetzung gehabt habe, um im Verhältnis zu ihrem Prozessbevollmächtigten und zur Rechtsschutzversicherung Abrechnungsklarheit zu erlangen.
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Nach Auffassung des BSG hat der Kläger keinen Anspruch auf die allein begehrte Entschädigung i.H.v. 2.500 Euro wegen immaterieller Nachteile des überlangen Streitwertfestsetzungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (L 3 R 129/11). Das isolierte, der Hauptsacheerledigung auf sonstige Weise nachfolgende Verfahren der endgültigen Streitwertfestsetzung stellt allerdings ein Gerichtsverfahren i.S.d. § 198 GVG dar. Der Kläger hat die Verzögerung des Kostenfestsetzungsverfahrens auch formwirksam gerügt und das Entschädigungsgericht eine Überlänge des Verfahrens festgestellt. Das Entschädigungsgericht hat zudem beanstandungsfrei angenommen, dass die „starke“ Vermutung eines immateriellen Nachteils aufgrund der Verzögerung zwar nicht widerlegt worden ist, aber keine Entschädigung beansprucht werden kann, weil nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung durch die gerichtliche Feststellung der Überlänge ausreicht. Wie das BSG bereits entschieden hat, ist das Verfahren der Kostenfestsetzung und Erinnerung für die Beteiligten im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung (Urt. v. 10.07.2014 – B 10 ÜG 8/13 R). Nicht anders verhält es sich für das vorgreifliche Verfahren der Streitwertfestsetzung. Auch für die Großmutter und Rechtsvorgängerin des Klägers war die Streitwertfestsetzung hier ohne nennenswerte Bedeutung. Allein das Interesse an einer höheren Entschädigung bei zunehmender Überlänge vermag die Bedeutung des Verfahrens in einem entschädigungspflichtigen Ausmaß nicht zu begründen.