Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2020 zum Aktenzeichen 4 Ta 200/20, dass die gerichtliche Anordnung oder Versagung einer Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung im Falle einer Pandemie gem. § 114 ArbGG (ebenso § 211 SGG) ist nicht anfechtbar.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags mit Beschluss des Arbeitsgerichts, den anberaumten Gütetermin gemäß § 114 Abs. 3 ArbGG von einem anderen Ort aus im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung wahrnehmen zu dürfen. Sie macht u.a. geltend, das Corona-Risiko liege am Gerichtsort um ein Vielfaches höher als am Sitz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
Die sofortige Beschwerde ist unstatthaft.
Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) oder es sich um solche, eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (Nr. 2).
Eine ausdrückliche Bestimmung gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Sie fand sich lediglich in § 114 Abs. 2 Satz 3 eines Referenten-Entwurfs des Bundesarbeitsministeriums zum Covid-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG (vgl. dazu Düwell, jurisPR-ArbR 16/2020 Anm. 1) und hat in die Gesetzesfassung keinen Eingang gefunden.
bDie sofortige Beschwerde ist aber grundsätzlich gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, da die Entscheidung des Arbeitsgerichts gemäß § 114 Abs. 3 ArbGG eine mündliche Verhandlung nicht erforderte und ein das Verfahren betreffendes Gesuch, nämlich auf Gestattung der Wahrnehmung des Termins an einem anderen Ort bei zeitgleicher Bild- und Tonübertragung, zurückgewiesen hat.
Gleichwohl ist die sofortige Beschwerde unstatthaft. Denn sie ist abweichend von der allgemeinen Regelung in § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gemäß § 128a Abs. 3 Satz 2 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen.
Die Regelungen zur Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung in § 128a ZPO wurden zum 01.01.2002 eingeführt. Gemäß § 128a Abs. 1 ZPO „kann“ das Gericht den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Gemäß Satz 2 wird die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. In § 128a Abs. 2 ZPO findet sich eine ähnliche Befugnis des Gerichts in Bezug auf Zeugen und Sachverständige. In § 128a Abs. 3 ist bestimmt, dass die Übertragung nicht aufgezeichnet wird (Satz 1) und dass die Entscheidungen des Gerichts nach Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 unanfechtbar sind (Satz 2). § 128a ZPO schließt damit abweichend von der allgemeinen Regelung des § 567 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde ausdrücklich aus. Entsprechende Regelungen gelten im Wesentlichen gleichlautend für alle Gerichtsbarkeiten, so auch für die Sozialgerichtsbarkeit (§ 110a SGG).
Die Unanfechtbarkeit der Entscheidungen gemäß § 128a Abs. 3 Satz 2 ArbGG und § 110a Abs. 3 Satz 2 SGG umfasst sowohl die stattgebende als auch die abweisende Entscheidung, wie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich vermerkt ist („Anordnung oder Versagung“, BT-Drucks. 14/6063, S. 120). Etwaige aus einer fehlerhaften Ermessensausübung des Prozessgerichts folgende Verletzungen von Verfahrensrechten können nach herrschender Auffassung mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache geltend gemacht werden (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 128a Rn. 11).
Der Ausschluss des Rechtsmittels gilt auch für die Pandemie-Sonderregelungen in § 114 Abs. 3 ArbGG und § 211 Abs. 3 SGG.
(1)Die bis zu 31.12.2020 befristet geltenden Pandemie-Sonderregelungen für die Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 114 ArbGG) und die Sozialgerichtsbarkeit (§ 211 SGG) knüpfen an die vorgenannten Bestimmungen zur Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung an. In den Absätzen 1 und 2 werden ausdrücklich „von § 128a ZPO abweichende“ Regelungen für ehrenamtliche Richter (Abs. 1) sowie für die Abstimmung und Entscheidung eines Spruchkörpers (Abs. 2) getroffen. Dagegen regelt § 114 Abs. 3 ArbGG einen Sonderfall des § 128a Abs. 1 ZPO und schränkt insoweit das Ermessen des Gerichts ein. Danach „soll“ das Gericht den Parteien ihren Bevollmächtigten und Beiständen bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 S. 1 Infektionsschutzgesetzes „im Falle des § 128 a der Zivilprozessordnung“ von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und von dort im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Der Wortlaut fügt die Pandemie-Sonderregelung mit den Worten „im Falle des § 128a der Zivilprozessordnung“ als besonders geregelten Fall ausdrücklich in die dortige allgemeine Regelung ein. Dies gilt in gleicher Weise für § 211 Abs. 3 SGG, der auf § 110a SGG verweist („im Falle des § 110a“).
Während somit in § 114 ArbGG und § 211 SGG jeweils in Abs. 1 und 2 „Abweichendes“ zu § 128a ZPO bzw. § 110a SGG geregelt wird, fügen sich die jeweiligen Regelungen in Abs. 3 ausdrücklich in die allgemeinen Regelungen von § 128a ZPO und § 110a SGG ein. Damit gelten diese auch für die Pandemie-Sonderregelung, soweit dort nicht Besonderes geregelt ist. Aus diesem Grund gilt für die in § 114 Abs. 3 ArbGG und § 211 Abs. 3 SGG geregelte pandemiebedingte Wahrnehmung der Verhandlung von einem anderen Ort aus im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung auch die gesetzliche Anordnung aus § 128a Abs. 3 ZPO und § 110a Abs. 3 SGG, dass die Übertragung nicht aufgezeichnet wird (Satz 1) und Entscheidungen über die Gestattung unanfechtbar sind (Satz 2). Die etwas unübersichtliche Regelungstechnik des Gesetzes führt insoweit zu einer beschränkten Rechtsfolgenverweisung.
Für diese Auslegung spricht ferner der sehr ähnliche Regelungsgegenstand der Normen. Gründe für eine unterschiedliche Gestaltung der Rechtmittelgewährung sind nicht ersichtlich. In Anbetracht der klaren Regelung zu § 128a Abs. 3 ZPO und § 110a Abs. 3 SGG hätte zudem ein abweichender Wille des Gesetzgebers im Pandemie-Sondergesetz oder zumindest im Gesetzgebungsverfahren Niederschlag finden müssen.
Die Auslegung ist auch deshalb zwingend, weil sonst kein Aufzeichnungsverbot für die Übertragung der Verhandlung zu den Parteien und ihren Bevollmächtigten und Beständen bestünde. In § 114 Abs. 1 Satz 3 ArbGG und § 211 Abs. 1 Satz 3 SGG ist ein solches nur für die Bild- und Tonübertragung an ehrenamtlichen Richter statuiert und in den jeweiligen Absätzen 2 für die Beratung und Entscheidung der Spruchkörper. Ein Aufzeichnungsverbot ist indessen auch für die Verhandlung aus datenschutzrechtlichen Gründen unabweisbar geboten.
Die sofortige Beschwerde ist schließlich auch nicht deshalb statthaft, weil das Arbeitsgericht sie in der Rechtmittelbelehrung als statthaftes Rechtsmittel angegeben hat. Durch eine fehlerhafte Rechtmittelbelehrung wird ein unstatthaftes Rechtsmittel nicht statthaft (vgl. etwa BGH 30.01.2019 – XII ZB 554/18, juris Rn. 10).
Gemäß Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) fällt im Falle der Verwerfung der Beschwerde grundsätzlich eine Gebühr von 50,00 € an. Von einer Erhebung hat die Beschwerdekammer gemäß § 21 Abs. 1 GKG wegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung in dem angegriffenen Beschluss abgesehen.