Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 20.01.2021 zum Aktenzeichen 15 Sa 1194/20 entschieden, dass keine automatische Anrechnung von Zwischenverdienst bei unwiderruflicher Freistellung erfolgt.
Die Parteien streiten über die Zahlung von Arbeitsentgelt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin und stellte sie unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne nicht mit Erfolg Annahmeverzugslohnansprüche geltend machen, da sie es böswillig unterlassen habe, Verdienst zu erzielen.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag. Der Vergütungsanspruch eines Arbeitnehmers entsteht aufgrund des Vertrages und setzt nicht zwingend voraus, dass die vereinbarten Dienste tatsächlich geleistet werden. Insofern kann die Klägerin die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn sie nicht gearbeitet hat. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten muss die Klägerin sich nicht wertmäßig einen Betrag in gleicher Höhe anrechnen lassen, weil sie es böswillig unterlassen hat, anderweitigen Verdienst gemäß § 615 S. 2 BGB zu erzielen.
Nach hiesiger Auffassung spricht viel dafür, dass schon eine entsprechende Anrechnungsmöglichkeit nicht besteht.
Die Beklagte hat die Klägerin im Kündigungsschreiben unwiderruflich von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Ist ein Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit, schuldet er dem Arbeitgeber keine Dienste. Insofern kann ein Arbeitgeber auch nicht in Gläubigerverzug geraten, so dass allein deswegen § 615 BGB nicht zur Anwendung kommen kann. Ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers erlischt nur durch den Abschluss eines Erlassvertrages i.S.v. § 397 BGB oder durch den Abschluss eines Änderungsvertrages. In einer unwiderruflichen Freistellungserklärung sieht das BAG ein Angebot, mit dem sich ein Kläger erkennbar dann einverstanden erklärt, wenn er der Arbeit fernbleibt. Die Anrechnung eines Zwischenverdienstes kommt nur dann in Betracht, wenn sie vertraglich vorbehalten wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG unterlässt ein Arbeitnehmer böswillig anderen Verdienst, wenn er vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten wird. Eine solche Untätigkeit muss vorwerfbar sein. Auf eine Schädigungsabsicht des Arbeitnehmers kommt es nicht an. Ausreichend ist, dass vorsätzliche außer Acht lassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Selbst grobe Fahrlässigkeit reicht insofern jedoch nicht aus. Entscheidend ist, ob dem Arbeitnehmer gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich aus verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen.
Im hiesigen Fall ist auch zu beachten, dass die Kündigungsfristen es dem Arbeitnehmer erleichtern sollen, möglichst ohne wirtschaftliche Nachteile einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Durch eine rechtzeitige unternehmerische Planung und ihre Umsetzung hat es ein Arbeitgeber auch in der Hand, einen Arbeitskräftebedarf nicht auch schon während des Laufs der Kündigungsfrist nicht mehr zu benötigen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Klägerin nicht entgegengehalten werden, dass sie böswillig Zwischenverdienst unterlassen hat.