Das Verwaltungsgericht Würzburg hat am 14.04.2021 zum Aktenzeichen W 8 E 21.510 den Antrag einer Kette von Modehäusern abgelehnt, ihr im Wege der Ausnahmegenehmigung die Öffnung eines ihrer Geschäfte im Landkreis Aschaffenburg auch bei Überschreiten einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 unter näher bezeichneten Hygienemaßnahmen zu genehmigen.
Aus der Pressemitteilung des VG Würzburg vom 14.04.2021 ergibt sich:
Die Antragstellerin berief sich darauf, dass sie sich infolge der Corona-Schutzmaßnahmen in einer höchst angespannten Finanzlage befinde. Arbeitsplätze seien akut gefährdet. Die Antragstellerin sowie ihre drei deutschen Tochtergesellschaften hätten bereits die Eröffnung der Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Die Verlängerung und Verschärfung des aktuellen Lockdowns führe zu finanziellen Belastungen, die sich ganz wesentlich von denen anderer Textileinzelhandelsbetriebe unterscheiden würden. Wegen des angemeldeten Insolvenzverfahrens würden der Antragstellerin keine „Überbrückungshilfe III“ ausgezahlt. Es drohe ein Umsatzverlust, der für das Unternehmen zum „Todesstoß“ werden könne. Da sie ihre Filialen vorwiegend in Deutschland habe. könnten die Umsatzeinbußen im Inland nicht durch maßgebliche Geschäfte im Ausland kompensiert werden. Ihre Kunden würden typischerweise der wenig online-affinen Alterskohorte zwischen 50 und 75 Jahren angehören. Es handele sich vorwiegend um Stammkunden. Für ihr Geschäftsmodell sei die direkte Kundenbindung und der direkte Abverkauf in den Stores wesentlich. Auch die Gegebenheiten in dem konkreten Modengeschäft würden sich von anderen Textileinzelhandelsbetrieben wesentlich unterscheiden. Es befinde sich in einer alleinstehenden Gewerbeimmobilie im außerstädtischen Bereich, verfüge über eine sehr große Verkaufsfläche und ein umfangreiches Parkplatzangebot. Die Verkaufsfläche sei geräumig und die Gänge seien breit, so dass dem Infektionsschutz auch durch Hygienemaßnahmen vor Ort Rechnung getragen werden könne. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei wegen der akuten Existenzgefährdung auch verfassungsrechtlich geboten.
Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 14. April 2021 nicht gefolgt:
Die Antragstellerin begehre mit der vorläufigen Öffnung ihres Modegeschäfts im Eilrechtsverfahren die Vorwegnahme der in der Hauptsache erhobenen Klage. Dies widerspreche grundsätzlich dem Sinn und Zweck des Eilrechtsverfahrens und sei nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch im Hauptsacheverfahren spreche und effektiver Rechtsschutz anders nicht gewährleistet werden könne. Diese Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung. Nach aktueller Rechtslage dürfe die Antragstellerin bei einer sieben-Tage-Inzidenz zwischen 100 und 200 Kunden nur mit einem negativen Ergebnis eines vor höchstens 24 Stunden vorgenommen POC-Antigentests oder Selbsttest oder eines vor höchstens 48 Stunden vorgenommenen PCR-Tests einlassen. Sie habe jedoch klargestellt, dass dadurch die besonderen Härten für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin nicht ausgeglichen werden könnten.
Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass bei dem Modegeschäft der Antragstellerin ein atypischer Einzelfall vorliege. Nur bei einer besonderen Fallgestaltung, die wesentlich vom Regelfall abweiche, habe das zuständige Landratsamt die Möglichkeit eine Ausnahmegenehmigung gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV (Bayerische Infektionsschutzverordnung) zu erteilen. Die Schließung und inzidenzabhängige stufenweise Öffnung von Modegeschäften sei ein typischerweise von dem abgestuften und differenzierten System für die inzidenzabhängige Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr umfasst. Das von der Antragstellerin vorgesehene Hygienekonzept sei nicht geeignet, einen Ausnahmefall zu begründen. Das Gleiche gelte für die Finanzlage der Antragstellerin. Das Landratsamt habe die Wertungen der Infektionsschutzverordnung für den Regelfall zu beachten. Eine Ausnahme käme nur in Betracht, wenn dies – anders als hier – infektionsschutzrechtlich vertretbar sei und die Regierung von Unterfranken ihr Einvernehmen erteilt hätte. Die finanzielle Situation betroffener Geschäfte werde durch staatliche Wirtschaftshilfen berücksichtigt. Sie könne deshalb nicht zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung führen.
Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zulässig.