Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 04.03.2021 zum Aktenzeichen 4 K 464/20.KO in eine von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass eine Schülerin keinen Anspruch auf Anfechtung eines Halbjahreszeugnisses hat.
Der Klägerin fehlt das für jeden Rechtsbehelf zu fordernde allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung und Änderung des Halbjahreszeugnisses bzw. der einzelnen Fächernoten. Offenlassen kann die Kammer daher, ob es sich bei dem Zeugnis bzw. den Einzelnoten um Verwaltungsakte handelt und welche Klageart – Leistungs- oder Verpflichtungsklage – statthaft ist.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehlt, wenn ein vernünftiger Zweck der Rechtsverfolgung nicht erkennbar ist und ein Obsiegen dem Kläger keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil bringen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Dezember 1979 – 7 B 196.79 –, juris; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, Vor. § 40 Rn. 38).
So liegt es hier.
Zunächst ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass eine Aufhebung und Änderung des Halbjahreszeugnisses oder der Einzelnoten Bedeutung für die schulische Lauf-bahn oder das berufliche Fortkommen der Klägerin haben kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 1983 – 7 B 179.82 –, BeckRS 1983, 3248597; W.-R. Schenke, a.a.O, Rn. 42).
Die Klägerin hat mittlerweile das Jahreszeugnis der zehnten Klasse erhalten, gegen welches sie nach Aktenlage bislang nicht vorgegangen ist. Sie hat sich im Jahres-zeugnis verbessert und hiermit die Voraussetzungen zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erreicht. Die Jahreszeugnisnoten werden aufgrund der Leistungen des gesamten Schuljahrs unter stärkerer Berücksichtigung der Leistungen im zweiten Schuljahr festgelegt (vgl. § 61 Abs. 6 der Übergreifenden Schulordnung). Das Jahreszeugnis ist mithin aktueller und umfassender. Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit dem Halbjahreszeugnis bzw. den dortigen Zeugnisnoten nach Erlass des Jahreszeugnisses noch eigeständige Bedeutung für die weitere Schullaufbahn oder das berufliche Fortkommen der Klägerin zukommen kann. Die Klägerin hat hierzu auch nach dem Hinweis der Kammer mit Verfügung vom 14. Januar 2021 nur allgemeine Ausführungen gemacht.
Etwas anderes folgt nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 6 B 61.06 –, juris). Das Urteil betraf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtversetzung eines Schülers in die nächsthöhere Klasse. Das Bundesverwaltungsgericht sah für diese Konstellation ein Feststellungsinteresse bereits dann als gegeben an, wenn nachteilige Auswirkungen auf die schulische oder berufliche Laufbahn des Schülers nicht aus-geschlossen werden könnten. Ein solcher Nachteil müsse weder unmittelbar bevor-stehen noch sich konkret abzeichnen. Denn der Einfluss einer Nichtversetzung auf die Lebens- und Berufschancen hänge von der künftigen Entwicklung ab, die im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts regelmäßig nicht abzusehen sei. Hieraus lassen sich für den vorliegenden Fall keine Rückschlüsse ziehen. Ein Halbjahres-zeugnis in der zehnten Klasse ist hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf den Lebensweg eines Schülers nicht mit einer Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse vergleichbar. Bei einer Nichtversetzung sind mögliche Auswirkungen nahe-liegender. Denn auch nach einer späteren Versetzung kann es für Bewerbungen von Bedeutung sein, ob jemand die Schulzeit glatt durchlaufen oder die Abschlussprüfung erst nach Wiederholung einer Klassenstufe abgelegt hat. Demgegenüber sind Auswirkungen eines Halbjahreszeugnisses in der zehnten Klasse nach Erhalt des Jahreszeugnisses, allenfalls in Ausnahmefällen denkbar. Es ist daher in diesen Fällen gerechtfertigt, eine substantiierte Darlegung eines solchen Ausnahmefalls zu verlangen.
Ein Interesse an der Aufhebung und Änderung des Halbjahreszeugnis bzw. der Einzelnoten ergibt sich ferner nicht aus einer fortdauernden schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung oder einem Rehabilitationsinteresse der Klägerin.
Die Noten im Halbjahreszeugnisses lagen zwischen gut und ausreichend. In Mitarbeit und Verhalten wurde die Klägerin mit der Note gut bewertet. Eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung durch diese Noten vermag die Kammer nicht zu erkennen. Auch eine schwere, fortdauernde Persönlichkeitsrechtsverletzung durch das Zustandekommen der Noten ist nicht ersichtlich. Die Klägerin macht insoweit keine konkreten Ausführungen, worin die angeblichen Ungerechtigkeiten und Unrichtigkeiten bei der Notengebung bestanden haben sollen. Nähere Angaben dazu müssten ihr auch ohne weitergehende Akteneinsicht möglich sein. Eine diskriminierende Wirkung der Einzelnoten bzw. des Zeugnisses, die Voraussetzung für die Annahme eines Rehabilitationsinteresses wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es ist weder erkennbar noch substantiiert vorgetragen, dass die Noten des Halbjahreszeugnisses geeignet sind, das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Der Vortrag der Klägerin, sie habe im zweiten Schulhalbjahr einer besonderen Beobachtung unterlegen und die Lehrer der Oberstufe ließen sich regelmäßig das Halbjahreszeugnis zeigen, ist insofern nicht ausreichend.
Schließlich kann die Klägerin aus der von ihr zitierten Entscheidung des Bundeverfassungsgerichts (Beschluss vom 8. November 2016 – 1 BvR 3237/13 –, juris) nichts zu Ihren Gunsten herleiten. In der Entscheidung bejahte das Bundes-verfassungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Verfassungsbeschwerde nach Erledigung der angegriffenen Maßnahme. Es bestehe ein Interesse an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit, wenn sich die direkte Belastung auf eine Zeitspanne beschränke, in der der Betroffenen nach dem regelmäßigen Geschäfts-gang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen könne. Die Entscheidung ist schon deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da der Klageantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin ausdrücklich nicht auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Benotung, sondern auf deren Aufhebung und Neufestlegung gerichtet ist. Überdies betraf die Entscheidung das Rechtsschutzinteresse für eine Verfassungsbeschwerde und nicht für erstinstanzlichen Rechtsschutz. Ungeachtet dessen kann die Klägerin aus der Entscheidung auch kein Feststellungsinteresse bzw. Rechtsschutzinteresse für einen auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Benotung gerichteten Antrag herleiten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung auch in Fällen, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nach dem regelmäßigen Geschäftsgang kaum er-langen kann, nur bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, NJW 2004, 2510; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 7 B 1.16 –, juris). Ein solcher liegt hier nicht vor.