Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat mit Beschluss vom 21.01.2020 zum Aktenzeichen 8 B 2370/19 eine Entscheidung des VG Wiesbaden bestätigt, wonach das Bürgerbegehren in der Stadt Oestrich-Winkel zur Abschaffung des hauptamtlichen Ersten Stadtrates unzulässig ist.
Aus der Pressemitteilung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs Nr. 2/2020 vom 23.01.2020 ergibt sich:
Die Stadtverordnetenversammlung von Oestrich-Winkel beschloss im Jahr 2008, dass die Funktion des Ersten Stadtrates, also des ersten Vertreters des Bürgermeisters, im Hauptamt ausgeübt werden sollte. Die Amtszeit des aktuellen hauptamtlich tätigen Ersten Stadtrates endet am 31.10.2019. Einen Antrag der SPD-Fraktion auf Abschaffung dieses Hauptamtes lehnte die Stadtverordnetenversammlung in ihrer Sitzung am 08.04.2019 mehrheitlich ab. Zugleich beschloss die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag von CDU und FDP mehrheitlich, dass der Wegfall des Hauptamtes eine unzumutbare Mehrbelastung für die Mitarbeiter der Stadtverwaltung darstellen würde. Daraufhin initiierten die Antragsteller ein Bürgerbegehren zur Abschaffung des hauptamtlichen Ersten Stadtrates. Am 28.05.2019 reichten sie das Bürgerbegehren mit der erforderlichen Anzahl an Unterschriften ein. Der Magistrat von Oestrich-Winkel gab zwei rechtliche Gutachten in Auftrag, eines beim Hessischen Städte- und Gemeindebund und eines bei Herrn Rechtsanwalt Bennemann. Beide Gutachten kamen – aus unterschiedlichen Gründen – zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei. Die Stadtverordnetenversammlung entschied am 19.08.2019, das Bürgerbegehren nicht zuzulassen.
Die Antragsteller reichten in der Folge Klage beim VG Wiesbaden auf Zulassung des Bürgerbegehrens ein und beantragten zugleich im Rahmen des Eilverfahrens, die Wahl eines neuen hauptamtlichen Ersten Stadtrates bis zu einer Entscheidung des Gerichts im Klageverfahren zu unterlassen. Das VG Wiesbaden hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Der VGH Kassel hat die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss des VG Wiesbaden vom 27.09.2019 (7 L 1651/19.WI) zurückgewiesen.
Daher ist die Stadt Oestrich-Winkel nunmehr nicht gehindert, das Stellenbesetzungsverfahren für die Wahl eines hauptamtlichen Ersten Stadtrats fortzuführen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung für das Bürgerbegehren. Die Begründung diene dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren des Bürgerbegehrens aufzuklären und darüber zu informieren, worüber abgestimmt werden solle. Die Begründung dürfe zwar Wertungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen enthalten, sie müsse jedoch insbesondere die entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend darstellen. Die abstimmungsberechtigten Bürger müssten sich anhand der Darstellungen ein Urteil darüber bilden können, ob sie dem Bürgerbegehren zustimmen wollten oder nicht. Dabei müsse gewährleistet sein, dass die angegebene Begründung nicht zur Verfälschung des Bürgerwillens führe. Sie dürfe deshalb nicht in wesentlichen Punkten falsch, unvollständig oder irreführend sein. Davon ausgehend sei das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die hier dem Bürgerbegehren beigegebene Begründung zumindest irreführend sei.
Denn darin werde ausgeführt, größere Städte als Oestrich-Winkel kämen ohne hauptamtlichen Ersten Stadtrat aus; dort sei es selbstverständlich, dass der Bürgermeister allein sämtliche Aufgabenbereiche (Dezernate) der Stadtverwaltung leite. Dadurch gewönne die Stadt dauerhaft zusätzlichen finanziellen Spielraum, den sie für Steuersenkungen, den Ausbau der Infrastruktur oder zur Vereinsförderung nutzen könne. Dem nicht mit der Gemeindeordnung vertrauten Bürger werde damit suggeriert, dass die Stelle des Ersten Stadtrates entbehrlich sei und sämtliche dafür anfallenden Kosten eingespart werden könnten und zur anderweitigen Verwendung zur Verfügung stünden. Nach der Formulierung der Begründung ziele das Bürgerbegehren der Antragsteller darauf ab, die Stelle des „hauptamtlichen Ersten Stadtrates“ abzuschaffen, ohne jedoch den Fokus auf die „Hauptamtlichkeit“ der Stelle zu legen, wie dies etwa durch Kursiv- oder Fettdruck des Wortes „hauptamtlich“ hätte erreicht werden können. Für den mit der Hessischen Gemeindeordnung nicht sonderlich vertrauten Bürger erschließe sich deshalb aus der Begründung nicht, dass bei Wegfall der Stelle des „hauptamtlichen“ Ersten Stadtrates ein „ehrenamtlicher“ Erster Stadtrat dessen Aufgaben wahrzunehmen habe, wodurch ebenfalls Kosten verursacht würden. Auch wenn diese wahrscheinlich unter denen liegen dürften, die für einen „hauptamtlichen“ Ersten Stadtrat anfallen, falle die mit der beabsichtigten Änderung gewünschte Kostenersparnis jedenfalls nicht so hoch aus, wie es die Formulierung nahelege.
Der Beschluss ist unanfechtbar und damit rechtskräftig.