Das Thüringer Landessozialgericht in Erfurt hat mit Urteil vom 21.11.2019 zum Aktenzeichen L 1 U 1590/18 entschieden, dass die Teilnahme an einer Abendveranstaltung auf dem Cannstatter Wasen nicht mehr zum versicherten Teil der Fortbildungsveranstaltung gehört und somit nicht gesetzlich unfallversichert ist.
Aus der Pressemitteilung des Thüringer Landessozialgerichts Nr. 8/2019 vom 10.12.2019 ergibt sich:
Der Kläger nahm an einer von seinem Arbeitgeber organisierten Fortbildung in der Nähe von Stuttgart teil. Nach Ende des fachlichen Teils am ersten Tag der Fortbildung erfolgte nach 17.00 Uhr der gemeinsame Besuch der Cannstatter Wasen. Die Kosten übernahm der Arbeitgeber. Nach Verlassen der Cannstatter Wasen stürzte der Kläger auf dem Weg zum Taxi und zog sich eine Fraktur sowohl des linken als auch des rechten Fußes zu. Die Berufsgenossenschaft hatte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles verneint und das Sozialgericht die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.
Das LSG Erfurt hat die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Landessozialgericht hat der Kläger beim Besuch der Cannstatter Wasen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Grundsätzlich sei ein Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei allen Tätigkeiten gesetzlich unfallversichert, die im Rahmen der Erfüllung seiner ihm als Beschäftigter des Unternehmens obliegenden Pflichten aus dem jeweiligen Arbeitsverhältnis vorgenommen werden. Ein derartiger betriebsbezogener Zweck sei nicht auf der Erbringung der Hauptleistung beschränkt. Er könne im Einzelfall auch für sonstige Tätigkeiten angenommen werden, die dem Unternehmensinteresse dienen. Die Teilnahme an einer betrieblich veranlassten Fortbildung und auch die damit im Zusammenhang stehende Dienstreise stehe damit grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Allerdings bestehe auch während der Teilnahme an einer Fortbildung nach der ständigen Rechtsprechung kein Versicherungsschutz „rund um die Uhr“. Es sei vielmehr, wie bei Tätigkeiten am Arbeitsplatz auch, zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammen hängen und solchen Verrichtungen, die der Privatsphäre des Arbeitsnehmers zuzurechnen seien.
Entsprechend diesen Grundsätzen gehöre die Teilnahme an der Abendveranstaltung auf dem Cannstatter Wasen nicht mehr zum versicherten Teil der Fortbildungsveranstaltung. Aus dem Gesamtablauf des Workshops ergebe sich, dass der Besuch der Cannstatter Wasen nur als Begleitprogramm zur Fortbildungsveranstaltung zu werten sei und selbst keinen Bezug zu den betrieblichen Angelegenheiten des Klägers aufweise. Alleiniger Zweck sei das gesellige Zusammensein gewesen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber die Kosten für den Besuch der Cannstatter Wasen vollständig übernommen habe und in der Einladung zu der Fortbildung auf den vorgesehenen Besuch der Cannstatter Wasen hingewiesen worden sei. Denn der Arbeitgeber habe es nicht in der Hand, den gesetzlichen Versicherungsschutz durch eine eigene Entscheidung auf beliebige Sachverhalte mit eigenwirtschaftlichem Charakter auszudehnen.
Dass die Teilnahme am Besuch der Cannstatter Wasen auch einer Intensivierung der Kontakte der Mitarbeiter untereinander diente, reiche ebenso nicht aus den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen. Allein mögliche Erwartungshaltungen des Arbeitgebers bzw. der Kollegen seien nicht der Lage, den im Vordergrund stehenden eigenwirtschaftlichen Aspekt von Freizeit und Unterhaltung in den Hintergrund zu drängen. Sonstige besondere betriebliche Ziele durch den Besuch der Cannstatter Wasen seien nicht feststellbar. Bei dem Besuch der Cannstatter Wasen handelte es sich ebenfalls nicht um eine grundsätzlich versicherte betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung wie zum Beispiel ein Betriebsfest oder eine Weihnachtsfeier. Denn der Besuch der Cannstatter Wasen sei von vornherein als geselliger Ausklang eines Fortbildungstages konzipiert gewesen.