Das Amtsgericht München hat mit Urteil vom 19.03.2019 zum Aktenzeichen 182 C 11189/18 entschieden, dass eine Schülerin, die mit ihrem Finger in ein offenes Metallrohr eines Handlaufs geraten ist und sich hierbei erheblich verletzt hat, kein Schmerzensgeld gegen den Verkehrssicherungspflichtigen geltend machen kann, wenn dieser nachweisen kann, dass er den Handlauf regelmäßig auf Beschädigungen kontrolliert hat.
Aus der Pressemitteilung des AG München Nr. 4/2020 vom 17.01.2019 ergibt sich:
Die damals 10 Jahre alte Klägerin stieg mit ihren Eltern und ihrem Geschwister am 30.04.2017 auf dem Weg in die Allianz-Arena am U-Bahnhof Fröttmaning aus. Sie ging auf der nördlichen Seite des Fußgängersteigs in Richtung Esplanade und ließ ihre Hand auf dem Handlauf „mitlaufen“. In der Folge erlitt die Klägerin eine offene Fraktur des Zeigefingers mit einer Verletzung der Streckmuskeln und -sehnen. Die Beklagte ist für den Bereich zwischen der U-Bahnhaltestelle Fröttmaning und der Esplanade zur Allianz-Arena verkehrssicherungspflichtig. Die von ihren Eltern vertretene Klägerin behauptet, die Metallrohre des Handlaufs seien in diesem Bereich nicht mehr miteinander verbunden gewesen. Das nachfolgende offene Rohr habe zu einem Drittel über das vorhergehende Stück hinausgeragt, so dass das Kind mit dem Zeigefinger in das offene Metallrohr des Anschlussstücks geraten, dort stecken geblieben sei und sich infolge der Vorwärtsbewegung u.a. eine offene Fraktur zugezogen habe. Der Finger bleibe wohl dauerhaft in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Der Unfall sei durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verursacht. Eine Beschädigung des Handlaufs sei nicht erst unmittelbar vor dem Unfall erfolgt. Die Beklagte behauptet, dass der U-Bahnhof erst am 27.04.2017 überprüft worden sei. Mit Ausnahme eines defekten Fahrkartenautomaten seien insbesondere beim Handlauf keine Schäden festgestellt worden. Von alleine hätten die Rohre nicht auseinanderdriften können, so dass dies durch eine mutwillige Gewalteinwirkung geschehen sein müsse. Die Klägerin verlangt Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000 Euro und Feststellung der Verpflichtung der Klägerin, alle Schäden aus dem Schadensereignis vom 30.04.2017 ersetzen zu müssen.
Das AG München hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts führten die Eltern des Kindes überzeugend und detailliert aus, dass die Metallrohre des Handlaufs an der fraglichen Stelle nicht mehr miteinander verbunden waren, und das Kind bei einer Vorwärtsbewegung im Gehen mit dem Zeigefinger in das herausstehende Ende des einen Rohrs gelangt ist, wodurch seine Verletzung entstanden ist. Unstreitig sei die Beklagte auch für den streitgegenständlichen Bereich des Fußgängersteigs zwischen der U-Bahnhaltestelle Fröttmaning und der Esplanade zur Allianz-Arena verkehrssicherungspflichtig. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließe, wäre im praktischen Leben nicht erreichbar. Die Beklagte bzw. ihre organschaftlichen Vertreter haben der ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht hier durch die Kontrolle des Bahnhofs Fröttmaning samt der dazugehörenden Anlagen am 27.04.2017 durch die Zeugin K. Genüge getan. Die Zeugin führte sachlich und detailgenau aus, dass sie bei jeder Kontrolle jeden Tag routinemäßig auch die Handläufe der Bahnhöfe überprüfen und diese dabei mit der Hand „ablaufen“ würde, um etwa abstehende Splitter oder zu große Abstände der Metallrohre festzustellen. Die Zeugin äußerte: „Wenn ich der Meinung bin, dass es jeden Moment rausrutscht, wenn der Spalt zu groß ist, dann melde ich es. Es sind Kinder da, die hängen sich hin, es sind Erwachsene da.“ Es könne auch nicht von der Beklagten verlangt werden, den Bahnhof Fröttmaning jeden Tag zu kontrollieren. Dies würde die an die Verkehrssicherungspflicht zu stellenden Anforderungen überspannen, zumal es sich mit Ausnahme der Spieltage in der Allianz-Arena auch nicht um einen übermäßig frequentierten Bahnhof handele. Hier habe die Beklagte den Bahnhof Fröttmaning gerade vor dem Fußballspiel am 30.04.2017 kontrolliert. Im Übrigen sei dem im Internet einsehbaren Spielplan der Allianz-Arena zu entnehmen, dass das letzte Spiel vor dem streitgegenständlichen Vorfall am 26.04.2017 stattgefunden habe, und damit vor der Kontrolle durch die Zeugin K.
Das Urteil ist nach Berufungsrücknahme seit 06.12.2019 rechtskräftig.