Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 06.11.2019 zum Aktenzeichen 1 BvR 276/17 entschieden, dass ein Suchmaschinenbetreiber nicht verpflichtet ist, namensbezogene Links aus einem zulässigerweise veröffentlichten Presseinterview zu löschen („Recht auf Vergessen II“).
Aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 84/2019 vom 27.11.2019 ergibt sich:
Der Norddeutsche Rundfunk strahlte am 21.01.2010 einen Beitrag des Fernsehmagazins „Panorama“ mit dem Titel „Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ aus. Gegen Ende dieses Beitrages, für den die Beschwerdeführerin zuvor ein Interview gegeben hatte, wurde der Fall eines gekündigten ehemaligen Mitarbeiters des von ihr als Geschäftsführerin geleiteten Unternehmens dargestellt. In Anknüpfung an die geplante Gründung eines Betriebsrats wurde ihr in dem Beitrag ein unfairer Umgang mit dem Mitarbeiter vorgeworfen.
Der Norddeutsche Rundfunk stellte eine Datei mit einem Transkript dieses Beitrags unter dem Titel „Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ auf seiner Internetseite ein. Bei Eingabe des Namens der Beschwerdeführerin in die Suchmaske des Suchmaschinenbetreibers Google wurde als eines der ersten Suchergebnisse die Verlinkung auf diese Datei angezeigt. Nachdem dieser es abgelehnt hatte, die Nachweise dieser Seite zu unterlassen, erhob die Beschwerdeführerin Klage, die vom OLG Celle abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin könne weder aus § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG a. F. noch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Entfernung des Links (im Weiteren auch: Auslistung) beanspruchen.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Bereits die Überschrift des Suchergebnisses sei verfälschend, da sie niemals „fiese Tricks“ angewandt habe. Das Suchergebnis rufe eine negative Vorstellung über sie als Person hervor, die geeignet sei, sie als Privatperson herabzuwürdigen. Überdies liege der Bericht zeitlich so weit zurück, dass auch in Folge des Zeitablaufs kein berechtigtes öffentliches Interesse mehr an ihm bestehe.
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Dem Beschluss „Recht auf Vergessen II“, der ergänzt werde durch den Beschluss des BVerfG vom 06.11.2019 (1 BvR 16/13 „Recht auf Vergessen I“) liege ein Rechtsstreit zugrunde, der eine unionsrechtlich vollständig vereinheitlichte Materie betreffe, so das BVerfG. Das BVerfG habe deshalb die Charta der Grundrechte der Europäischen Union angewandt.
Zunächst sei festzustellen, dass die anwendbaren Regelungen unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht und deshalb die Grundrechte des Grundgesetzes nicht anwendbar seien. Soweit jedoch die Grundrechte des Grundgesetzes durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt werden, kontrolliere das BVerfG dessen Anwendung durch deutsche Stellen am Maßstab der Unionsgrundrechte, so dass keine Schutzlücken entstehen. Es nehme hierdurch seine Integrationsverantwortung im Rahmen des Art. 23 GG wahr.
In der Sache sei auszuführen, dass die Grundrechte der Charta wie die des Grundgesetzes nicht nur Schutz im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten gewährleisten und hierbei miteinander in Ausgleich zu bringen seien. Das Oberlandesgericht habe in diesem Sinne die Grundrechtspositionen der Parteien sowie die zu berücksichtigenden Grundrechte Dritter, insbesondere die hierbei beachtliche Meinungsfreiheit des für den Beitrag verantwortlichen Norddeutschen Rundfunks, sachgerecht in die Abwägung eingestellt.