Das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster hat am 24.03.2020 zum Aktenzeichen 19 A 4470/19.A entschieden, dass in Europa geborene Kinder im Alter von bis zu fünf Jahren (Kleinkinder), die von nigerianischen Eltern abstammen, nationalen Abschiebungsschutz nicht deshalb beanspruchen können, weil sie bei einer Rückkehr der Familie nach Nigeria wegen der Gefahr, an Malaria zu erkranken, mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen allgemeinen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
Aus der Pressemitteilung des OVG NRW vom 27.03.2020 ergibt sich:
Damit sei eine für zahlreiche Verfahren entscheidungserhebliche Frage geklärt worden, die von den Verwaltungsgerichten bislang unterschiedlich beantwortet worden sei, so das Oberlandesgericht.
Die im Juni 2017 in Italien geborene Klägerin reiste mit ihrer Mutter 2018 nach Deutschland ein. Den für sie gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab und stellte dabei fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorlägen.
Das VG Münster hatte der hiergegen erhobenen Klage teilweise stattgegeben und die Bundesrepublik verpflichtet, zugunsten der Klägerin ein Abschiebungsverbot wegen der drohenden Malariagefahr festzustellen.
Das OVG Münster hat der Berufung des BAMF stattgegeben.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts hat die im maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung mehr als zweieinhalbjährige Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes. Die allgemein drohende Gefahr einer Malaria-Erkrankung sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Zwar sei Nigeria ganzjährig und flächendeckend ein Hochrisikogebiet für Erkrankungen an Malaria, die unbehandelt einen schweren bis tödlichen Verlauf nehmen könne. Kinder bis zu fünf Jahren seien wegen der noch nicht vollständigen Ausbildung ihres Immunsystems besonders gefährdet. Auch verfügten in Europa geborene und aufgewachsene Kinder nicht über eine Teilimmunität, die ansonsten in der Kindheit erworben werde und einen gewissen Schutz gegen einen schweren, ggf. zum Tode führenden Verlauf der Malaria bewirke. Dies führe für aus Europa nach Nigeria zurückkehrende Kleinkinder jedoch nicht zur Annahme einer Extremgefahr, die für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes hier erforderlich sei. Das OVG Münster hat die Gefahr, sich mit Malaria zu infizieren und daran zu sterben oder einen schweren Gesundheitsschaden davonzutragen, auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse nach Art, Ausmaß und Intensität bewertet. Schon die Sterblichkeitsrate von Kleinst- und Kleinkindern weise danach nicht auf eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende extreme Gefahrenlage. Zudem seien verschiedene risikosenkende Faktoren zu berücksichtigen. So stünden nach Nigeria zurückkehrenden Familien generell Vorsorgemaßnahmen zur Verfügung, wie etwa die Verwendung von imprägnierten Moskitonetzen. Im Alter der Klägerin gehe die Sterblichkeitsrate bei Kleinkindern signifikant zurück. Auch sei es ihrer Mutter zuzumuten, die Klägerin noch in Deutschland gegen verbreitete Infektionskrankheiten impfen zu lassen, sich mit ihr in den urbanen Zentren im Süden Nigerias anzusiedeln und sie durch Vorsorgemaßnahmen vor einer Malariainfektion zu schützen.
Das OVG Münster hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann die Klägerin Beschwerde einlegen, über die das BVerwG entscheidet.