Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 19.11.2024 zum Aktenzeichen 21 O 54/24 entschieden, dass eine Bankkundin kein Geld erhält, obwohl sie ein Sparbuch mit einem Guthaben vorgelegt hatte, bei dem die letzte Eintragung Jahrzehnte zurücklag.
Aus der Pressemitteilung des LG Köln vom 29.11.2024 ergibt sich:
Im Jahr 1984 hatte die Klägerin bei der beklagten Bank ein Sparbuch eröffnet. Das Sparbuch enthält für die Jahre 1984 bis 1990 mehrfach jährlich Eintragungen über erfolgte Ein- und Auszahlungen. Bis ins Jahr 1999 enthält das Sparbuch zudem alljährliche Eintragungen über den Sparzinsertrag. Neben Eintragungen zu baren Ein- und Auszahlungen sowie Zinsen finden sich auch weitere Eintragungen mit Textzusätzen wie „UNBAR“, „GUT“ und „LAST“. Als letzte Eintragung in ihrem Sparbuch ist im Jahre 1999 ein Guthaben in Höhe von über 25.203,36 DM ausgewiesen. Im Februar 2023 legte die Klägerin ihr Sparbuch in einer Filiale der Beklagten in Köln vor. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass das dazugehörige Sparkonto im Jahr 2018 aufgelöst und dessen Saldo in Höhe von 318,57 Euro auf einem Sammelkonto verwahrt worden sei. Im März 2023 wurde dieser Betrag auf dem Girokonto der Klägerin gutgeschrieben.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Auszahlung des zuletzt ausgewiesenen Sparguthabens in Euro in Anspruch. Die Beklagte Bank hat dagegen unter Vorlage eines EDV-Ausdruckes eingewandt, dass die letzte Kundenbuchung der Klägerin im April 2000 erfolgt sei. Es habe sich um eine Soll-Buchung über 25.000 DM gehandelt. Diese sei nicht ins Sparbuch eingetragen geworden, da es ihr im Zeitpunkt der Buchung nicht vorgelegen habe und die Klägerin das Sparbuch auch später – trotz mehrfacher Aufforderungen durch sie – nicht vorgelegt habe. Dass die Sollbuchung nicht unmittelbar im Sparbuch vermerkt worden sei, könne darauf beruhen, dass eine Auszahlung auf das Versprechen der Klägerin vorgenommen worden sei, das Sparbuch nachzureichen. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass die Klägerin über den Betrag zugunsten einer anderen Geldanlage verfügt habe.
Das Landgericht Köln hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Klägerin als Partei als auch Vernehmung einer Bankmitarbeiterin als Zeugin nun abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des Sparguthabens sei durch Erfüllung erloschen.
Die Kammer führt dabei in ihrer Entscheidung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen zunächst aus, dass für den Fall, dass ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt werde und – wie im vorliegenden Fall – allein streitig sei, ob der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens von dem Kreditinstitut bereits erfüllt worden sei, das Kreditinstitut die Erfüllung beweisen müsse. Daran ändere sich auch nichts allein aufgrund des Umstandes, dass der Inhaber des Sparbuchs über Jahrzehnte keine Eintragungen vornehmen lassen habe oder die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist gemäß § 257 HGB abgelaufen sei (keine sog. Umkehr der Beweislast). Denn Eintragungen in einem Sparbuch hätten schon deshalb besonderes Gewicht, weil Auszahlungen und Auflösungen grundsätzlich nicht ohne Buchvorlage vorgenommen würden. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Kreditinstitute erfordere es, an die Erschütterung der Beweiskraft von Sparbüchern strenge Anforderungen zu stellen. Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs könne daher nicht allein durch bankinterne Unterlagen nachgewiesen werden. Bankinterne Unterlagen würden allerdings ein anderes, größeres Gewicht gewinnen, wenn weitere Umstände hinzutreten würden, zu denen auch ein erheblicher Zeitablauf gehören könne.
Im Anschluss daran, stellt das Landgericht sodann fest, dass es der Beklagten ausgehend von diesen Maßstäben vorliegend gelungen sei, die Beweiskraft des von der Klägerin vorgelegten Sparbuchs zu erschüttern und zu beweisen, dass ein Sparguthaben in Höhe von 25.000 DM auf Anweisung der Klägerin zugunsten einer anderen Geldanlage abgebucht worden sei. Dies ergebe aus Sicht der Kammer eine Gesamtschau der Umstände.
Der beklagtenseits vorgetragene Buchungsvorgang lasse sich zunächst aus bankinternen Unterlagen der Beklagten nachvollziehen. Ein EDV-Ausdruck der Beklagten weise aus, dass die letzte Kundenbuchung zum streitgegenständlichen Sparbuch am 05.04.2020 erfolgt sei und nach dieser lediglich noch ein Guthaben von 318,37 Euro bestanden habe. Zudem sei für die Klägerin in einem durch die Beklagte gesondert geführten Handelsbuch im Jahr 2000 ein Sollnachtrag von 12.782,30 Euro (= 25.000 DM) eingetragen. Der Vortrag der Beklagten, der Nichteintragung dieser Buchung liege zugrunde, dass die Klägerin über den Betrag zugunsten einer anderen Geldanlage verfügt habe, erscheine zudem vor dem Hintergrund, dass das Sparbuch Eintragungen enthalte, die nicht auf Bareinzahlungen beziehungsweise Barauszahlungen – im Einzelnen mit Textangaben wie „UNBAR“, „GUT“, „LAST“, – zurückzuführen seien, plausibel. Diesen Vortrag habe die Klägerin, die auf Antrag der Beklagten als Partei vernommen worden sei, zwar nicht bestätigt. Sie habe im Rahmen der Parteivernehmung, aber auch selbst eingeräumt, dass sie nicht mehr zu 100 % sagen könne, ob sie in der fraglichen Zeit Wertpapiergeschäfte getätigt habe.
Hinzu trete, so die Kammer weiter, ein veränderter Umgang der Klägerin mit dem Sparbuch ab dem Jahr 2000 als auch ein erheblicher Zeitablauf, die nahelegen würden, dass sie Kenntnis davon gehabt habe, dass sich kein wesentliches Guthaben mehr auf ihrem Sparbuch befand. Die Klägerin habe ihr Sparbuch bis einschließlich ins Jahr 1999 – mithin über einen Zeitraum von 15 Jahren – regelmäßig jedenfalls jährlich für die Eintragung des Zinsertrages der Beklagten vorgelegt. Dass sie diese Angewohnheit der regelmäßigen Eintragung der Zinserträge ab dem Jahr 2000 abstellte, lege aus Sicht der Kammer nahe, dass sie davon ausging, dass sich aus dem (Rest-) Guthaben keine weiteren höheren Zinserträge ergeben würden. Die allein schon aufgrund der objektiven Umstände fernliegende Annahme einer bloßen Verhaltensveränderung habe die Klägerin auch nicht durch ihre Angaben im Rahmen ihrer Parteivernehmung entscheidend in Zweifel ziehen können. Ihre Erklärungen seien im Ergebnis widersprüchlich gewesen.
Obendrein habe die Klägerin auch auf die jährlichen Aufforderungsschreiben der Beklagten zur Vorlage ihres Sparbuchs in den Jahren 2009 bis 2018 nicht reagiert. Aufgrund der Vernehmung einer Mitarbeiterin der Beklagten als Zeugin stehe zur Überzeugung der Kammer dabei fest, dass die Klägerin jedenfalls ab dem Jahr 2009 in den Dateien mit denjenigen Kunden, an die ein Aufforderungsschreiben seitens der Bank übersandt werden sollte, aufgeführt gewesen sei.
Angesichts dieses Umstandes erscheine es, so das Gericht weiter, fernliegend, dass die Aufforderungsschreiben – nach der Weiterleitung der entsprechenden Dateien durch die vernommene Zeugin an die zuständige Abteilung – in dem weiteren standardisierten Prozess über einen Zeitraum von 10 Jahren tatsächlich nicht versandt worden sein könnten bzw. alljährlich auf dem Postweg verloren gegangen sein sollen.
Das am 19.11.2024 verkündete Urteil zum Az. 21 O 54/24 ist nicht rechtskräftig.