Kein Eilanspruch auf Abseilaktion über Autobahn

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 07. Dezember 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 2719/20 entschieden, dass kein Eilanspruch auf eine Abseilaktion über eine Autobahn besteht.

Dabei ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass bei der von dem Beschwerdeführer geplanten Durchführung der Veranstaltung erhebliche Gefahren für Leib und Leben Dritter drohen. Im Rahmen der von dem Beschwerdeführer angemeldeten Versammlung ist insbesondere beabsichtigt, dass sich Personen an einer Brücke über der Bundesautobahn 5 (A5) abseilen, um dort Transparente aufzuhängen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu unter Bezugnahme auf die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens sowie behördliche Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren festgestellt, dass die Abseilaktion aus Sicherheitsgründen eine Sperrung der A5 erforderlich machte, was wegen des hohen Verkehrsaufkommens auf der A5 und ihrer zentralen Funktion im Straßennetz im Bereich des Frankfurter Kreuzes zu Staus und in der Folge zu Auffahrunfällen sowohl auf der A5 selbst als auch auf anderen Autobahnen und Straßen führen könne. Entsprechende Gefahren bestünden auch bei einer Geschwindigkeitsreduzierung durch verkehrsleitende Maßnahmen sowie bei einer Beschränkung der Sperrung auf einzelne Fahrspuren.

Diese Einschätzungen bilden die Grundlage für die Folgenabwägung im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG. Insoweit sind bei der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich die Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zugrunde zu legen. Anderes wäre nur dann geboten, wenn die getroffenen Tatsachenfeststellungen offensichtlich fehlsam wären oder die Tatsachenwürdigungen unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechtsnormen offensichtlich nicht trügen.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beschwerdeführer setzt der Einschätzung des Veraltungsgerichts nichts Durchgreifendes entgegen. Das gilt insbesondere für seinen Hinweis darauf, auch an dem von der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens vorgeschlagenen Alternativstandort könne es bei Durchführung der Abseilaktion zur Bildung von Staus und Auffahrunfällen kommen. Dieses Vorbringen könnte allenfalls Zweifel an der Eignung des Alternativstandorts begründen, erschüttert aber nicht die Gefahrenprognose des Verwaltungsgerichts für den von dem Beschwerdeführer als alternativlos angesehenen Veranstaltungsort auf bzw. über der A5.

Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, sich aber nach Durchführung des Hauptsacheverfahrens herausstellte, dass das Versammlungsverbot verfassungswidrig war, wäre der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG verletzt. Diese Grundrechtsverletzung wäre, weil die geplante Versammlung vollständig untersagt wurde, nicht nur für den Beschwerdeführer, sondern angesichts der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für eine freiheitliche Staatsordnung auch im Hinblick auf das demokratische Gemeinwesen insgesamt von erheblichem Gewicht. Erginge demgegenüber eine einstweilige Anordnung und würde sich später herausstellen, dass das Verbot zur Verhinderung der von dem Verwaltungsgericht beschriebenen Gefahren rechtmäßig war, wären grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Interessen zahlreicher Verkehrsteilnehmer, die ebenfalls von hohem Gewicht sind, nachteilig betroffen. Bei Abwägung der berührten Interessen fällt zum Nachteil des Beschwerdeführers insbesondere ins Gewicht, dass er die angemeldete Versammlung in der vorgesehenen Weise grundsätzlich an anderer Stelle durchführen kann, wofür seitens der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens bereits eine konkrete Örtlichkeit benannt worden ist. Zwar ist nach dem insoweit plausiblen Vorbringen des Beschwerdeführers der Standort an der A5 für das mit der Versammlung verfolgte kommunikative Anliegen wegen des Zusammenhangs mit einer früheren Versammlung und der strafrechtlichen Verfolgung von Teilnehmern an dieser Versammlung von zentraler Bedeutung. Gegenüber der aufgrund von Verkehrsunfällen drohenden Gefahr insbesondere erheblicher Personenschäden muss das von Art. 8 Abs. 1 GG umfasste Bestimmungsrecht des Beschwerdeführers über den Versammlungsort allerdings zurücktreten.