Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 20.12.2022 zum Aktenzeichen 13 A 3282/21 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. vertretenen Fall entschieden, das die Ärztekammer nicht verpflichtet es, ein Gutachten über einen ärztlichen Sachverständigen einzuholen, da es sich dabei um keinen Behandlungsfehler handelt.
Ein Anspruch auf Erstellung eines Gutachtens ergibt sich allenfalls aus § 6 Abs. 1 Nr. 9 HeilBerG NRW i.V.m. den Vorschriften des Statuts der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein und danach bedarf es eines Behandlungsverhältnisses. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 1 des Statuts, wonach die Kommission zur Begutachtung von Vorwürfen wegen ärztlicher Behandlungsfehler (Hervorhebung, auch im Folgenden, durch den Senat) errichtet wird. Zudem heißt es in § 2 Abs. 1 des Statuts, es sei Aufgabe der Kommission bei einem Streit oder Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein der Kammer als Mitglied angehörender Arzt die in Diagnostik und Therapie erforderliche Sorgfalt gewahrt hat, auf Antrag eines Beteiligten festzustellen, ob dem Arzt ein Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, durch den der Patient einen Gesundheitsschaden erlitten hat oder voraussichtlich erleiden wird. Dies entspricht im Übrigen der Aufgabenzuweisung des § 6 Abs. 1 Nr. 9 HeilBerG NRW, wonach die Errichtung von Stellen zur Begutachtung von Behandlungsfehlern Aufgabe der Kammern ist.
Aus dem Zulassungsvorbringen folgt nicht, dass zwischen dem Kläger und dem vom Sozialgericht Köln als Gutachter im Verfahren beauftragten Dr. X ein Behandlungsverhältnis bestand, aus dem ein Behandlungsfehler resultieren könnte.
Nach der Legaldefinition des § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Die ärztliche Tätigkeit ist damit gerichtet auf die Erreichung dieser Ziele.
Ausgehend von diesem auch vom Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Verständnis fehlt es an einem Behandlungsverhältnis. Die Aufgabe des Dr. X in seiner Funktion als gerichtlich bestellter Sachverständiger beschränkte sich darauf, die ihm vom Sozialgericht Köln gestellten Frage zu beantworten, um diesem eine Entscheidung über die im gerichtlichen Verfahren streitgegenständliche Erwerbsminderungsrente zu ermöglichen. Ausschließlich zu diesem Zweck hat er Untersuchungen durchgeführt etwa dem Kläger Blut abgenommen sowie medizinische Befunde erhoben und bewertet. Hierbei handelte es sich weder um eine auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers abzielende medizinische (Heil)Behandlung (vgl. auch § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V), noch um eine Maßnahme der Früherkennung (vgl. §§ 25 f. SGB V), also um eine diagnostische Untersuchung mit dem Ziel, bislang unentdeckt gebliebene Krankheiten frühzeitig zu erkennen, um diese gegebenenfalls durch eine möglichst frühe Behandlung effektiv bekämpfen zu können.
Die Ausführungen des Klägers, das Verwaltungsgericht verkenne, dass er Dr. X gerade die Verhütung, Früherkennung und Behandlung der Krankheit vorwerfe, liegen deshalb neben der Sache. Die Annahme, der Gutachter habe in seinem Fall außerhalb des Gutachtenauftrags zusätzlich ärztliche Leistungen zur Verhütung, Früherkennung oder Behandlung erbracht und sogar erbringen wollen, liegt mehr als fern. Von Seiten des Gutachters bestand dazu aufgrund seines auf die Gutachtenerstellung beschränkten Auftrags keine Veranlassung. Dass er selbst den Gutachter mit zusätzlichen Behandlungsaufgaben betraut hat, behauptet auch der Kläger nicht.
In diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob es an gerichtlichen Vorgaben zur Art und Weise der Gutachtenerstellung fehlte und das Sozialgericht selbst keine Blutabnahme und -untersuchung angeordnet hat. Auch soweit es die Entscheidung, welche Untersuchungen zur Gutachtenerstellung erforderlich sind, dem Gutachter überantwortet hat, ändert dies am Fehlen einer (Heil)Behandlung nichts.
Darauf, ob Dr. X die Gutachtenfragen korrekt beantwortet hat oder das Gutachten an sonstigen Mängeln leidet, weil wie der Kläger meint der Gutachter nicht erkannt habe, dass er an einer Erkrankung mit dem Namen CVID (IgG-Mangelsyndrom) sowie an entzündlichen Erkrankungen im HNO und Magen-Darm-Bereich leide, ist unerheblich. Selbst ein mangelhaftes Gutachten würde keinen Behandlungsfehler begründen. Etwaige Mängel beträfen lediglich die Brauchbarkeit des Gutachtens im sozialgerichtlichen Verfahren. Über die Brauchbarkeit des Gutachtens hätte allein das Sozialgericht Köln, nicht aber der Kläger oder die Gutachterkommission der Beklagten zu befinden. Erhebliche Mängel hätten zudem lediglich zur Folge, dass eine neue Begutachtung angeordnet werden könnte (vgl. § 118 SGG i.V.m. § 412 ZPO).
Die umfangreichen Ausführungen des Klägers zu den grundsätzlich möglichen Behandlungsfehlern (Aufklärungsfehler, Organisationsfehler, Gerätefehler, Unterlassen etc.) und den ihm vermeintlich gegen den Gutachter zustehenden vertraglichen, vertragsähnlichen oder deliktischen Schadensersatzansprüchen sind aus den obigen Erwägungen irrelevant. Selbst wenn der Gutachter bei der Erstellung des Gutachtens nicht den gebotenen Sorgfaltsmaßstab angelegt hätte, änderte dies nichts am Fehlen eines Behandlungsverhältnisses als Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Erstellung eines Gutachtens durch die Gutachterkommission.