Das Amtsgerichts München hat mit Urteil vom 13.08.2018 zum Aktenzeichen 191 C 24919/16 entschieden, dass das Verbot, Tiere zu Vorstellungen mitzuführen auch bei einem Assistenzhund einer schwerbehinderten Frau nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstößt
Aus der Pressemitteilung des Amtsgericht München Nr. 48 vom 21.06.2019 ergibt sich:
Das Amtsgericht München hat am 13.08.2018 die Klage gegen den Betreiber eines Münchner Theaters auf Unterlassung, der rollstuhlpflichtigen Klägerin aus dem Raum Augsburg den Besuch von Vorstellungen in Begleitung ihres Assistenzhundes zu verweigern, und Zahlung von 1.000 € an Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz abgewiesen.
Der Klägerin ist zu 70 % schwerbehindert und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie hat zur Bewältigung ihres Alltags einen Assistenzhund, einen Golden Retriever. Bei dem Assistenzhund handelt es sich um einen ausgebildeten und geprüften Behindertenbegleithund mit aktuellem positivem Gesundheitszeugnis, der der Beklagten sogar beim An- und Ausziehen und beim Öffnen von Schubladen helfen kann.
Am 09.09.2016 erwarb die Klägerin zwei Eintrittskarten für eine Vorstellung des Musicals „Tanz der Vampire“ für einen Rollstuhlplatz und für ihre Begleitperson. Als die Klägerin am 08.10.2016 in Begleitung ihrer Freundin und ihres Assistenzhundes die Vorstellung besuchen wollte, wurde sie darauf hingewiesen, dass Hunde im Zuschauerraum nicht erlaubt seien. Die Klägerin legte daraufhin ihren Behindertenbegleithundeteam-Ausweis, ein Anwaltsschreiben und ein Gesundheitszeugnis des Hundes vor, um zu belegen, dass sie auf die Anwesenheit des Hundes in ihrer unmittelbaren Nähe angewiesen sei. Der Klägerin wurde aber nur angeboten, den Hund während der Vorstellung in einem Nebenraum unterzubringen. Dies lehnte die Klägerin ab und besuchte die Vorstellung nicht.
Die Klägerin behauptet, dass schon bei der Bestellung der Eintrittskarten auf den benötigten Assistenzhund hingewiesen worden sei. Bei ihrem Assistenzhund handle es sich um einen trainierten und ausgebildeten Epilepsiewarnhund, der eventuelle Krampfanfälle der Klägerin, die durch Flackerlicht und/ oder laute Musik während der Musicalvorstellung hervorgerufen werden können, anhand ihrer Geruchsveränderung etwa drei bis fünf Minuten im Voraus wahrnehmen und durch Berühren bzw. Kratzen mit der Pfote rechtzeitig anzeigen könne. Der Hund habe bei vorangegangenen Theater- und Zirkusbesuchen auf Licht- und Schalleffekte nicht reagiert.
Die Beklagte behauptet, dass es bei den nur im Balkonbereich vorhandenen Rollstuhlplätzen keine ausreichende Möglichkeit gebe, neben oder vor dem Rollstuhl einen Hund zu platzieren. Dies wäre zwar hinter dem Rollstuhl grundsätzlich möglich, allerdings wäre dann der Durchgangsbereich des Zuschauerraums und der Fluchtweg blockiert. Der dort liegende Hund sei im Evakuierungsfall ein überraschendes Hindernis und eine Sturzgefahr für andere Zuschauer und Darsteller, die sich in diesem Stück auch im Zuschauerraum, insbesondere in der Nähe der Rollstuhlplätze, bewegen würden. Eine andere Platzierung des Hundes im Zuschauerraum sei nicht möglich gewesen, insbesondere auch da die Klägerin nach eigener Aussage den Hund in ihrer unmittelbaren Nähe benötige. Man sei nicht in der Lage im Ernstfall für die begleitete Rettung auch des Hundes Sorge zu tragen.
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Beklagten Recht:
„Die Verwehrung des Einlasses mit Assistenzhund ist keine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung der Klägerin (…), da die Benachteiligung zur Erfüllung der Sicherheitsmaßnahmen im Theater sachlich gerechtfertigt (…) und die Verwehrung des Zutritts mit Hund zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich war. (…)
Durch die Verwehrung der Mitführung des Assistenzhundes wurde die Klägerin im Vergleich zu anderen Zuschauern in besonderer Weise benachteiligt. (…) Die Klägerin legte auch glaubhaft dar, dass der Hund stets in ihrer unmittelbaren Nähe erforderlich ist, um eine optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten. (…)Die Benachteiligung war jedoch sachlich gerechtfertigt. (…) Tragendes Argument ist, dass der Hund am Tag der Vorstellung in unmittelbarer Nähe des Rollstuhls keinen Platz hätte finden können, ohne eine Gefährdung oder Behinderung anderer Besucher oder anderer sich im Zuschauerraum aufhaltender Personen darzustellen. (…) Andere, weniger einschneidende Maßnahmen für die Klägerin, wie z. B. eine Umsetzung, kommen (…) nicht in Betracht.“