Das Sozialgericht Stuttgart hat am 19.05.2021 zum Aktenzeichen S 26 U 1326/19 entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer eines Schnell-Restaurants in räumlicher Nähe zu diesem einen im Gehen begriffenen und ihm den Rücken zuwendenden ehemaligen Gast mit dem Kopf voran aus Ärger über eine zuvor getätigte persönliche Beleidigung anspringt und dabei schwere Wirbelverletzungen erleidet, handelt es sich nicht um einen versicherten Arbeitsunfall.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 02.08.2021 ergibt sich:
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der zusammenfassenden Sachverhaltsdarstellung des zuständig gewesenen Polizeioberkommissars war folgender Geschehensablauf zu entnehmen: Der Kläger verrichtete in einer Subway-Filiale in S. seine Arbeit, als in der Nacht drei Männer das Schnellrestaurant betraten. Im Zuge der Bestellung eines der Männer kam es zu Differenzen zwischen ihm und dem Kläger sowie dem Arbeitskollegen des Klägers. Nachdem sich die drei Männer zum Essen hingesetzt hatten, wollte der eine stark betrunkene Mann offenbar noch etwas bei dem Kläger und dessen Arbeitskollegen klären und bezeichnete den Arbeitskollegen des Klägers als „Wichser“. Der Kläger stand unmittelbar daneben und fühlte sich seinen späteren Angaben einer Polizeikommissarin gegenüber ebenfalls beleidigt. Er schickte den Mann nach draußen. Als dieser die Subway-Filiale verließ, ging er nach rechts weg und schrie das Wort „Hurensohn“ in das Lokal hinterher. Der Kläger folgte dem Mann schnellen Fußes nach draußen und sprang ihn im Außenbereich hart von hinten an, sodass dieser umstürzte und er selbst mit schweren Wirbelverletzungen am Boden liegen blieb. Das Gericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zur Zeit des schadensstiftenden Ereignisses verrichtete Tätigkeit stand nicht in sachlichem Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit des Klägers. Das Handeln des Klägers war nicht auf die Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestandes als Beschäftigter gerichtet. Das konkrete Handeln des Klägers – das Anspringen des ihm den Rücken zuwendenden (ehemaligen) Gastes mit dem Kopf voran – war bereits objektiv seiner Art nach nicht auf die Durchsetzung des Hausrechtes oder die Aufrechterhaltung des Hausfriedens und des ungestörten Ablaufes im Schnellrestaurant gerichtet. Ein solches Verhalten kann nicht als betriebsdienlich angesehen werden. Eine derartige körperliche Attacke liegt in keiner Weise im betrieblichen Interesse; auch nicht zur Durchsetzung eines Hausrechtes oder zur Aufrechterhaltung eines Hausfriedens. Dieses konkrete Handeln setzte nicht dazu an und war nicht darauf ausgerichtet, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben. Das konkrete Handeln des Klägers war gerade nicht von der Absicht geprägt, die Interessen des Betriebes zu fördern, sondern ist vielmehr aus Ärger über die persönlichen Beleidigungen, insbesondere die letzte vor der Fensterfront des Schnellrestaurants getätigte Beleidigung, erfolgt, um den Beleidiger als Reaktion auf dessen Beleidigung anzugreifen. Das zur Verletzung führende Verhalten ist gerade nicht auf die Beschwerde über das Essen bzw. den Service, sondern vielmehr auf die persönliche Beleidigung des Klägers zurückzuführen gewesen. Diese letzte persönliche Beleidigung hat den Kläger zu dem zur Verletzung führenden Verhalten veranlasst. Im Vordergrund stand das Austragen dieses persönlichen Konfliktes und nicht die vorherige Auseinandersetzung über das Essen bzw. den Service, geschweige denn die Ausübung des Haurechtes oder die Aufrechterhaltung des ungestörten Ablaufes im Schnellrestaurant. Die vorherige Auseinandersetzung über das Essen bzw. den Service war vollkommen in den Hintergrund getreten. Das zur Verletzung führende Geschehen erfolgte anlässlich der erneuten persönlichen Beleidigung des Klägers. Im Vordergrund stand zum Zeitpunkt des schadensstiftenden Ereignisses der Ärger über diese Beleidigung, die die ursprüngliche Auseinandersetzung über das Essen bzw. den Service überlagert hat und schließlich zu einer überschießenden Reaktion des Klägers auf die als Kränkung empfundene Beleidigung geführt hat. Der dabei erlittene Gesundheitsschaden ist nicht vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst.