Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg in Stuttgart hat am 31.03.2020 zum Aktenzeichen 1 GR 21/20 einen Antrag im Organstreitverfahren des Landtagsabgeordneten Dr. Heinrich Fiechtner gegen die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg als unzulässig zurückgewiesen, mit dem er die Feststellung begehrte, dass die Absage der für den 01. und 02.04.2020 geplanten Landtagssitzungen durch die Antragsgegnerin ihn in seinem Abgeordnetenrecht aus Art. 27 Abs. 3 der Landesverfassung (LV) verletzt.
Aus der Pressemitteilung des VerfGH BW vom 31.03.2020 ergibt sich:
Der VerfGH Stuttgart hat entschieden, dass der Antrag unzulässig ist.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes fehlt dem Antragsteller jedenfalls an der nach § 45 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (VerfGHG) erforderlichen Antragsbefugnis. Nach Art. 30 Abs. 4 Satz 3 LV ist der Landtagspräsident verpflichtet, den Landtag einzuberufen, wenn ein Viertel der Mitglieder des Landtags oder die Regierung es verlangt. Aus dieser Vorschrift ergebe sich, dass ein einzelner Abgeordneter keinen Anspruch auf Einberufung des Landtags habe.
Die Zulässigkeit eines Antrags im Organstreitverfahren setze voraus, dass der Antragsteller geltend mache, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners in der Wahrnehmung seiner ihm durch die Verfassung übertragenen Rechte und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet sei. Der Antrag müsse die Bestimmung der Verfassung bezeichnen, gegen welche die beanstandete Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners verstoße. Eine Rechtsverletzung sei geltend gemacht, wenn nach dem Vorbringen des Antragstellers eine Rechtsverletzung zumindest möglich sei. Sie dürfe – anders gewendet – nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die vom Antragsteller gerügte Verletzung des Abgeordnetenrechts aus Art. 27 Abs. 3 LV liege offensichtlich nicht vor.
Nach Art. 27 Abs. 3 LV seien die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes; sie seien nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Art. 27 Abs. 3 LV beinhalte unter anderem das Anwesenheits-, das Rede-, das Antrags- und das Stimmrecht im Landtag. Die Vorschrift gebe dem einzelnen Abgeordneten hingegen keinen Anspruch auf Durchführung einer Landtagssitzung. Insoweit gehe die Regelung in Art. 30 Abs. 4 Satz 3 LV, wonach der Landtagspräsident verpflichtet sei, den Landtag einzuberufen, wenn ein Viertel der Mitglieder des Landtags (oder die Regierung) es verlange, dem Abgeordnetenrecht als speziellere Regelung vor. Art. 30 Abs. 4 Satz 3 LV würde ins Leere gehen, wenn ein einzelner Abgeordneter unter Berufung auf Art. 27 Abs. 3 LV die Durchführung einer Sitzung verlangen könnte.