Käufer unterliegt im Abgasstreit gegen Daimler AG

14. Dezember 2020 -

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat am 11.12.2020 zum Aktenzeichen 3 U 101/18 entschieden, dass der Käufer eines Mercedes-Benz C 220 D mit der Emissionsklasse EURO 6b keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs hat.

Aus der Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 11.12.2020 ergibt sich:

Der Kläger hatte im Jahr 2016 von der beklagten Daimler AG ein Neufahrzeug Mercedes-Benz C 220 D mit der Emissionsklasse EURO 6b erworben. Zur Reduktion von Stickoxiden wird in dem Fahrzeug ein SCR-Katalysator samt dem Harnstoff-Gemisch AdBlue zum Zwecke der Abgasnachbehandlung eingesetzt. Das Abgassystem arbeitet bei einer Umgebungstemperatur von 7° C bis 35° C konstant, außerhalb dieses Temperaturbereiches jedoch reduziert (sog. Thermofenster). Die EG-Typgenehmigung, ohne die der Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen nicht erlaubt wäre, liegt für das Fahrzeug vor. Ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) ist für dieses Fahrzeugmodell nicht angeordnet worden. Der Kläger hatte im Jahr 2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Unter Berufung auf Messergebnisse der Deutschen Umwelthilfe e.V. hat der Kläger behauptet, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei, welche die Prüfungssituation anhand des unnatürlichen Fahrverhaltens erkenne und die Abgasaufbereitung dann optimiere, damit wenig Stickoxide entstünden (Prüfstanderkennungs-Software). Dabei nutze die Beklagte auch das Thermofenster und die Regelung der Kühlmittelsolltemperatur aus, die ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellten. Die Beklagte habe die Verwendung dieser Abschalteinrichtungen arglistig verschwiegen und stattdessen das Fahrzeug als umweltfreundlich und schadstoffarm beworben, wodurch bei ihm ein entsprechender Irrtum entstanden sei. Für eine Haftung aus Gewährleistung sei eine Aufforderung an die Beklagte zur Nacherfüllung unter entsprechender Fristsetzung entbehrlich gewesen.
Das LG Stuttgart hatte die Klage abgewiesen.

Das OLG Stuttgart hat dieses Ergebnis bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist eine unzulässige Prüfstanderkennungssoftware in dem Fahrzeug nicht eingebaut worden. Auch eine entsprechende Regelung der Kühlmittelsolltemperatur liege nicht vor. Dies habe der Sachverständige bei entsprechenden Vergleichsmessungen auf dem Prüfstand und im Straßenbetrieb zweifelsfrei festgestellt. Bei den zugrunde zu legenden Grenzwerten seien entsprechende Toleranzen zu berücksichtigen gewesen.

Hinsichtlich des Thermofensters könne dahingestellt bleiben, ob dieses überhaupt eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Jedenfalls liege keine arglistige Täuschung vor. Steuerungseinrichtungen, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand, könnten nicht ohne weiteres als vorsätzliches rechtswidriges Verhalten angesehen werden. Entsprechende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Einsatz des Thermofensters als Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Kauf nahm, lägen nicht vor, zumal die Beklagte die Temperaturabhängigkeit der Wirkung des Abgassystems zumindest ansatzweise dem KBA mitgeteilt habe. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf Gewährleistung wegen eines Mangels stütze, fehle es daran, dass er der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe, wovon im vorliegenden Fall keine Ausnahme gerechtfertigt gewesen sei.

Das OLG Stuttgart hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.