K.O.-Tropfen sind kein gefährliches Werkzeug

01. Dezember 2024 -

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 08.10.24 zum Aktenzeichen 5 StR 382/24 entschieden, dass derjenige, der mit einer Pipette heimlich K.O.-Tropfen in ein Getränk gibt, um eine sexuelle Handlung vorzunehmen, zwar Gewalt begeht, aber kein gefährliches Werkzeug dabei verwendet.

Eine wichtige Klarstellung des Bundesgerichtshofs besagt, dass das Träufeln von K.O.-Tropfen ins Getränk einer Person, um diese sexuell gefügig zu machen, Gewalt darstellt, jedoch kein „gefährliches Werkzeug“ im Sinne des Strafgesetzbuchs verwendet wird. Die Verwendung von K.O.-Tropfen führt daher nicht zu einer Strafverschärfung bei sexuellen Übergriffen, da sie nicht als „gefährliches Werkzeug“ angesehen werden.

In einem konkreten Fall hatte ein Mann zwei Frauen in seine Wohnung eingeladen, um ihnen heimlich Gamma-Butyrolacton (GBL) zu verabreichen, welches sich im Körper zu Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) umwandelt, auch bekannt als „Liquid Ecstasy“ oder „K.O.-Tropfen“. Der Mann wollte die Frauen mit den Tropfen sexuell enthemmen, um sexuelle Handlungen an ihnen vorzunehmen und sich sexuell zu erregen. Durch das Träufeln der GBL-Tropfen in ihre Getränke erreichte er sein Ziel, beide Frauen entkleideten sich, legten sich auf die Couch und küssten sich. Der Angeklagte beteiligte sich ebenfalls an den Handlungen, indem er eine der Frauen, die spätere Nebenklägerin, berührte. Diese war aufgrund der Wirkung der K.O.-Tropfen nicht mehr in der Lage, ihren Willen zu äußern. Ohne die heimliche Verabreichung der Tropfen hätte die Nebenklägerin den fortgeschrittenen Annäherungsversuchen des Angeklagten nicht zugestimmt.
Nach den Handlungen wurde die Nebenklägerin im Garten des Wohngrundstücks aufgefunden, schlafend, nicht ansprechbar und nur mit einem durchnässten Bademantel bekleidet.

Das Landgericht Dresden hatte einen Mann wegen eines besonders schweren sexuellen Übergriffs und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Dabei wurde ein minderschwerer Fall angenommen und dem Angeklagten vorgeworfen, K.O.-Tropfen verwendet zu haben, um die Tat zu begehen. Dies wurde als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des Strafgesetzbuchs gewertet.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese rechtliche Würdigung nun jedoch abgelehnt. Der 5. Strafsenat des BGH entschied, dass K.O.-Tropfen an sich kein Werkzeug sind und somit nicht als gefährliches Werkzeug im Sinne des Gesetzes angesehen werden können. Dies würde den Bestimmtheitsgrundsatz verletzen, der durch Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes geregelt ist. Die konkrete Dosierung oder Gefährlichkeit des Mittels spiele dabei keine Rolle.

Nach Ansicht des 5. Strafsenats wird ein Werkzeug im allgemeinen Sprachgebrauch als fester Gegenstand definiert, der zur Bearbeitung von etwas verwendet wird. Da Flüssigkeiten und Gase keine feste Form haben, können sie nicht als Gegenstände angesehen werden und somit auch nicht als Werkzeuge gelten. Diese Argumentation widerspricht möglicherweise früheren Entscheidungen des BGH, wie der 5. Strafsenat selbst in seiner Entscheidung festhält.

Darüber hinaus argumentiert der 5. Strafsenat in seinem Beschluss, dass es auch aus systematischen Gründen nicht angemessen sei, K.O.-Tropfen als „Werkzeug“ im Sinne des Strafgesetzbuches zu betrachten. Er verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs in Bezug auf eine Verurteilung wegen schweren Raubes, in dem festgestellt wurde, dass ein Mittel, das erst nach einem Stoffwechselprozess im Körper sedierend oder narkotisierend wirkt, nicht als gefährliches Werkzeug angesehen werden kann.

Die Tatsache, dass der Mann die Tropfen mithilfe einer Pipette in ein Getränk geträufelt hat, ändert seiner Ansicht nach nichts an dieser Beurteilung. Die Pipette wird im konkreten Fall nicht als gefährliches Werkzeug betrachtet, sondern als Mittel zur Verabreichung eines gesundheitsgefährdenden Stoffes. Die Handlungen, die unter Verwendung einer solchen Art von Tatmittel ausgeführt wurden, fallen daher unter § 224 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches (Gefährliche Körperverletzung).

Der Bundesgerichtshof argumentiert weiterhin, dass die Pipette lediglich als Mittel diente, um die GBL-Tropfen mit dem Körper der Nebenklägerin in Verbindung zu bringen, um ihre gesundheitsschädliche Wirkung mittelbar nach dem Stoffwechselprozess des Getränks zu entfalten. Daher war sie nicht geeignet, direkt von außen eine Körperverletzung zu verursachen, und es fehlte ihr die erforderliche potenzielle Gefährlichkeit.

Schließlich weist der Bundesgerichtshof auch eine teleologische Auslegung der Vorinstanz zurück, die die Verwendung von K.O.-Tropfen mit dem Gebrauch eines „Holzknüppels“ verglich. Er argumentiert, dass dies die Ergebnisse der grammatikalischen, historischen und systematischen Auslegung negiere, und dass Gerechtigkeitserwägungen nicht über die Wortlautgrenze und den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes hinwegsetzen können.

Als Ergebnis muss sich nun eine andere Strafkammer des Landgerichts Dresden erneut mit dem Fall beschäftigen. Dabei wird sie auch die Anweisungen des Bundesgerichtshofs berücksichtigen müssen, die eine mögliche Strafverschärfung aufgrund eines anderen Grundes nahelegen könnten. Es wird darauf hingewiesen, dass die Tatvariante des Herbeiführens einer konkreten Todesgefahr für das Opfer nicht ausgeschlossen ist, da bei der gefundenen Frau im Garten aufgrund ihrer starken Bewusstseinseintrübung und Übelkeit möglicherweise eine konkrete Todesgefahr durch Erstickungsgefahr aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Aspiration von Fremdkörpern durch Erbrechen bestanden haben könnte.