Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am 16.06.2021 zum Aktenzeichen III-7 StS 3/19 in dem Verfahren gegen eine deutsche Anhängerin des Islamischen Staats (IS) wegen der Versklavung von Jesidinnen in Syrien sein Urteil verkündet.
Aus der Pressemitteilung des OLG Düsseldorf vom 16.06.2021 ergibt sich:
- Der Strafausspruch
Der Senat hat die Angeklagte Sarah O. (23) wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Todesfolge durch Versklavung, einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung, Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Vergewaltigung, Freiheitsberaubung von über einer Woche Dauer, Freiheitsberaubung mit Todesfolge und mit Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Angeklagte Perihan S. (50) hat der Senat wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in neun Fällen, davon in sieben Fällen in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem dieser Fälle mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Den Angeklagten Ahmet S. (52) hat der Senat wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in fünf Fällen in Tateinheit mit bandenmäßiger Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot eines unmittelbar geltenden Rechtsaktes der Europäischen Gemeinschaften, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, und in einem Fall mit Terrorismusfinanzierung sowie mit drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen der bandenmäßigen Ausfuhr von Gütern unter Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung, die der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen Sanktionsmaßnahme dient, wobei es in einem dieser Fälle beim Versuch geblieben ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Wegen der überlangen Verfahrensdauer gelten jeweils drei Monate der gegen die Angeklagte Perihan S. und Ahmed S. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen als vollstreckt.
Sarah O. bleibt weiter in Haft. Das gilt auch für Perihan S., die der Senat im Verlaufe des Verfahrens im Dezember in Untersuchungshaft genommen hat. Ahmet S. bleibt bis zum Haftantritt auf freiem Fuß.
- Die vorangegangene Hauptverhandlung
Die Hauptverhandlung begann am 16. Oktober 2019. Das Urteil fiel am 93. Hauptverhandlungstag. Die Verhandlung war nicht öffentlich, weil die Angeklagte Sarah O. zu einem Teil der Tatzeit noch Jugendliche war.
Der Anklage haben sich drei jesidische Frauen als Nebenklägerinnen angeschlossen, die von der Angeklagten Sarah O. als Sklavinnen gehalten worden waren. Der Senat hat die Frauen an 30 Hauptverhandlungstagen als Zeuginnen gehört.
In den Schlussvorträgen beantragte der Generalbundesanwalt für die Angeklagte Sarah O. eine Jugendstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten und die Nebenklägerinnen eine tat- und schuldangemessene Jugendstrafe. Die Verteidigung beantragte eine zur Bewährung auszusetzende Jugendstrafe von 2 Jahren und einen Teilfreispruch, hilfsweise eine Jugendstrafe von 4 Jahren.
Für die Angeklagte Perihan S. beantragte der Generalbundesanwalt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten, die Verteidigung einen Freispruch.
Für den Angeklagten Ahment S. beantragte der Generalbundesanwalt eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten; die Verteidigung forderte eine Bewährungsstrafe von 2 Jahren.
- Das Tatgeschehen
- Sarah O.
Die Angeklagte Sarah O. begab sich von Anfang November 2013 bis Oktober 2017 nach Syrien, um sich dort am Kampf gegen das syrische Regime und am Aufbau eines islamischen Staates nach den Regeln der Scharia zu beteiligen. Dazu schloss sie sich der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ („IS“) als Mitglied an und heiratete im Januar 2014 nach islamischem Ritus ein „IS“-Mitglied, einen der beiden Söhne der Angeklagten Perihan S. und Ahmet S.
Sarah O. förderte in Jarabulus, Manbidsch, Raqqa und Al-Mayadin die Tätigkeit ihres „Ehemannes“ für die Terrororganisation, indem sie den Haushalt führte und die gemeinsamen drei Töchter betreute. Neuankömmlinge für den „IS“ nahm sie übergangsweise auf und versuchte außerdem, andere Personen zur Reise nach Syrien und zur Teilnahme am Jihad für den „IS“ zu bewegen.
- Insbesondere: Die Versklavung von Jesidinnen
Der „IS“ verfolgte Jesiden als rechtlose „Teufelsanbeter“ und sah die Versklavung jesidischer Frauen und Kinder als religiös gerechtfertigt an. Dieser Ideologie folgend hielt die Angeklagte Sarah O. gemeinsam mit ihrem Ehemann insgesamt fünf jesidische Frauen und zwei minderjährige jesidische Mädchen als Sklavinnen. Drei der fünf Frauen sind die Nebenklägerinnen.
Jedenfalls zwei der drei Nebenklägerinnen zwang der „Ehemann“ gewaltsam zum Geschlechtsverkehr. Dies geschah mit Einverständnis der Angeklagten Sarah O., welche dieses Vorgehen gegen die schutzlosen Frauen nach den Regeln des IS für geboten hielt und ihren „Ehemann“ in seinem Handeln bestärkte.
Ein versklavtes vierzehnjähriges Mädchen kam bei einer durch die Angeklagte Sarah O. gebilligten Überlandfahrt über eine bereits am Vortag unter Beschuss stehende Straßenverbindung bei Al-Mayadin durch einen Angriff zu Tode.
- Perihan S. und Ahmet S.
Die Angeklagten Perihan S. und Ahmet S. wussten, dass sich ihre Söhne in Syrien dem „IS“ als Mitglieder angeschlossen hatten. Im Zeitraum von Oktober 2013 bis Mitte 2015 unterstützen sie sie, indem sie an der Beschaffung von Waffenzubehör und Ausrüstungsgegenständen mitwirkten auch selbst Gegenstände nach Syrien zu transportierten. Sie wussten, dass die Ware gegen die Soldaten der syrischen Regierung eingesetzt werden sollte. Zudem förderten die Angeklagten die Tätigkeit ihrer Söhne für den „IS“ ab Mitte 2014 durch Geldzahlungen.
- Rechtlicher Hintergrund
Die Strafe für Sarah O. richtet sich nach dem Jugendstrafrecht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Angeklagten können dagegen Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.