Die Staatsanwaltschaft München legt einem mutmaßlichen AGG-Hopper gewerbsmäßigen Betrug bzw. versuchten gewerbsmäßigen Betrug zur Last.
Der Vorwurf lautete, der mutmaßliche AGG-Hopper habe in mehr als 100 Fällen fingierte Bewerbungen eingereicht, um die potenziellen Arbeitgeber anschließend wegen angeblicher Diskriminierung zur Zahlung von Entschädigungen zu veranlassen.
Insgesamt habe er so 80.000 € erhalten, in 91 weiteren Fällen soll der mutmaßliche AGG-Hopper und sein „hoppender“ Bruder Forderungen von insgesamt 1,7 Millionen Euro erhoben haben, auf die aber nicht gezahlt wurde.
Die Strafkammer des Landgerichts München I ist mit Beschluss vom 23.11.2015 zum Aktenzeichen 12 KLs 231 Js 139171/12 ist nach ausführlicher Prüfung und Beratung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Strafbarkeit im vorliegenden Verfahren nicht gegeben ist, sondern die Angeschuldigten noch im „Graubereich“ die bestehende Gesetzeslage ausnutzten.
Dem ist auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft München das Oberlandesgericht München nicht gefolgt und hat mit Beschluss vom 25.01.2016 zum Aktenzeichen 2 W 1/16 die Hauptverhandlung teilweise zugelassen.
Die Hauptverhandlung begann am 27.11.2018 vor der 12. Strafkammer des Landgerichts München I.
Nach insgesamt 63 Hauptverhandlungstagen verurteilte das Landgericht München I den mutmaßliche AGG-Hopper mit Urteil vom 06.07.2020 zum Aktenzeichen 12 KLs 231 Js 139171/12 Betrugs in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in neun tatmehrheitlichen Fälle (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten zur Bewährung verurteilt wurde.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig; der mutmaßliche AGG-Hopper hat Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
Der Europäische Gerichtshof entschied mit Urteil vom 28.07.2016 zum Aktenzeichen C-423/15, dass eine nicht ernst gemeinte Bewerbung nicht von den EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtlinien (RL 2000/78 und 2006/54) geschützt ist und damit auch nicht von den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Das Bundesarbeitsgericht entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass ein Bewerber viele Bewerbungen schreibt und viele AGG-Klagen führt, denn das zeige erst mal nur, dass derjenige seine Rechte nach dem AGG wahrnehme.
Ob sich die Strafkammer in den Urteilsgründen mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts auseinandergesetzt hat, bleibt der Begründung der noch nicht veröffentlichten Urteilsbegründung abzuwarten.
Ob hier ein AGG-Hopper oder ein nur mehrfach diskriminierter Bewerber kriminalisiert wird, bleibt wohl als nächstes der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorbehalten. Ebenso die Frage, ob AGG-Hopping eine Straftat darstellt.
HIER >>> Beitrag „AGG-Hopping – eine strafrechtliche Subsumtion“(Rechtsauffassung des LG München I)
HIER >>> Beitrag „AGG-Hopping – Betrug? (Rechtsauffassung des OLG München)