Impfschaden gegen den Hersteller des mRNA-Impfstoffes Comirnat

12. Juli 2024 -

Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit Urteil vom 10.07.2024 zum Aktenzeichen 5 U 1375/23 über die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Mainz wegen behaupteter Impfschäden gegen den Hersteller des mRNA-Impfstoffes Comirnaty entschieden.

Aus der Pressemitteilung des OLG Koblenz vom 11.07.2024 ergibt sich:

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf

In dem entschiedenen Verfahren 5 U 1375/23 erhielt der eingesetzte Impfstoff Comirnaty am 21. Dezember 2020 eine bedingte zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung und am 10. Oktober 2022 eine Standardzulassung. Der Klägerin wurde am 31. August 2021 die erste und am 30. September 2021 die zweite Impfung verabreicht.

Die Klägerin behauptet im Wesentlichen, wenige Tage nach der ersten Impfung unter starken Kopfschmerzen und einem immer intensiveren Schwindel gelitten zu haben. Diese Symptome hätten sich nach der zweiten Impfung noch verstärkt. Sie leide daran bis heute, habe ein unsicheres Gangbild, sei fallgeneigt und müsse regelmäßig gestützt werden. Dies führe zu erheblichen Folgebeeinträchtigungen, insbesondere auch in Bezug auf ihre Belastbarkeit. Die Klägerin verlangt immateriellen Schadensersatz von 100.000 Euro, die Feststellung der Ersatzpflicht des Herstellers für materielle Schäden und – in der Berufungsinstanz klageerweiternd – Auskunft. Die Herstellerin tritt dem entgegen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt ihre Ansprüche mit der Berufung weiter und hat die Klage im Berufungsverfahren um einen Auskunftsanspruch erweitert.

Rechtlicher Rahmen

Der Senat hatte festzustellen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Arzneimittelgesetz (AMG) vorliegen und die ursächliche Verbindung von Impfung und Gesundheitsschäden besteht. Ferner war zu klären, ob der Klägerin ein Auskunftsanspruch gemäß § 84a AMG gegen die Herstellerin des Impfstoffs zusteht. Wesentliche Anspruchsgrundlage des Klagebegehrens war § 84 AMG, der eine verschuldensunabhängige sog. Gefährdungshaftung postuliert, sowie § 84a Abs. 1 AMG, der den Auskunftsanspruch gegen den Hersteller regelt.

Entscheidung des Senats

Der Senat hat die Berufung zurückgewiesen und zugleich die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

In der Entscheidung hat sich der Senat von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis des eingesetzten mRNA-Impfstoffes Comirnaty – ausgehend von den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 26.06.2024 projiziert auf den Zeitpunkt der Anwendung des Impfstoffes – überzeugt gezeigt. Dabei könne für den Senat dahinstehen, ob dies schon aus Rechtsgründen aufgrund der europäischen Zulassung bindend feststehe. Vielmehr sei der Senat auch aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen der Europäischen Arzneimittelagentur, von deren Ausschüssen und dem nationalen Paul-Ehrlich-Institut eigenständig von dem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis überzeugt.

Darüber hinaus hat der Senat herausgestellt, dass es bezogen auf die Gesamtheit aller Personen, die potenziell geimpft werden konnten und sollten, keinen 100%igen Schutz gebe; dies sei auch nicht die „versprochene“ und zugelassene Wirkung des Impfstoffs. Gleichzeitig übersehe der Senat dessen Risiken in Form von sich realisierenden Nebenwirkungen vor der Zulassung nicht, allerdings überwiege der Nutzen die Risiken bei Weitem. Dem von der Verwirklichung eines Risikos Betroffenen werde ein im Sinne des Gesetzes vertretbares Opfer zum Nutzen der Gesamtheit abverlangt. Aus der Verwirklichung eines Risikos im Einzelfall könne insoweit nicht auf die Unwirksamkeit des Arzneimittels im Allgemeinen und damit ein den Nutzen überwiegendes Risiko geschlossen werden.

Der Senat hat auch keine unrichtige Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation zu dem mRNA-Impfstoff Comirnaty gesehen. Die gesetzlich relevanten Produktinformationen seien vielmehr nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse richtig gewesen und fortlaufend aktualisiert worden. Die Produktinformationen seien auch frei zugänglich, wenn sich die Klägerin darum bemüht hätte.

Ohne dass dies für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch noch von Erheblichkeit war, hat der Senat darauf verwiesen, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihre behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit den Impfungen stünden und auf diese zurückgingen.

Die erst in der Berufungsinstanz erhobene Auskunftsklage hat der Senat gleichermaßen abgewiesen. Die Klägerin habe keine ausreichenden Indiztatsachen dargelegt, die die Annahme begründeten, dass der Impfstoff ihre Beschwerden verursacht habe.