Das Bundesverwaltungsgericht hat am 22.12.2020 zum Aktenzeichen 2 WNB 8.20 entschieden, dass in der Verweigerung des Befehls an einen Soldaten zur Teilnahme an einem Impftermin ein Dienstvergehen liegt, das mit einer Disziplinarmaßnahme geahndet werden kann.
Aus der Pressemitteilung des BVerwG Nr. 3/2021 vom 18.01.2021 ergibt sich:
In dem zugrundeliegenden Verfahren verweigerte ein Hauptfeldwebel die Teilnahme an der militärischen Basisimpfung. Dabei handelt es sich um eine für alle Soldaten vorgesehene grundlegende Impfung zum Schutz gegen klassische Krankheitserreger (z.B. Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten – nicht: Covid 19). Er vertrat die Ansicht, sein Asthma und seine Neurodermitis gingen auf eine frühere Impfung zurück. Ihm drohten schwere Gesundheitsschäden. Nach Einschätzung der behandelnden Truppenärzte war diese Befürchtung unbegründet. Deshalb befahl ihm sein Einheitsführer die Teilnahme an der Impfung und verhängte nach wiederholter Befehlsverweigerung acht Tage Disziplinarrest. Der Disziplinararrest ist ein kurzzeitiger Freiheitsentzug und die strengste einfache Disziplinarmaßnahme, die ein Vorgesetzter in eigener Befugnis anordnen kann. Das zuständige Truppendienstgericht hat diese Entscheidung nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gebilligt.
Das BVerwG hat im Beschwerdeverfahren die rechtlichen Einwände des Hauptfeldwebels geprüft und das Rechtsmittel zurückgewiesen.
Nach Auffassung des BVerwG ist den Soldaten der Bundeswehr eine weitergehende Impfpflicht auferlegt als anderen Staatsbürgern. In § 17a Abs. 2 SG hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine Pflicht zur Duldung von Impfungen als Teil der soldatischen Gesunderhaltungspflicht vorgeschrieben und das Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung in Art. 2 Abs. 2 GG eingeschränkt. Dies beruhe auf der Erwägung, dass die Verbreitung übertragbarer Krankheiten die Einsatzbereitschaft militärischer Verbände erheblich schwächen könne.
Die Impfung sei nur dann nicht zumutbar, wenn objektiv eine erhebliche Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten vorliege (§ 17a Abs. 4 Satz 2 SG). Auf die subjektive Einschätzung des betroffenen Soldaten komme es nicht an. Die in Art. 87a Abs. 1 GG vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr wäre gefährdet, wenn die Frage der Zumutbarkeit von mit gesundheitlichen Risiken verbundenen Befehlen ähnlich einer Gewissensentscheidung letztlich von der individuellen Risikoeinschätzung der einzelnen Soldaten abhängig wäre.
Denn Soldaten müssten von Berufs wegen bei der Erfüllung von Befehlen – insbesondere bei Auslandseinsätzen und im Fall der Landesverteidigung – erhebliche Gesundheitsrisiken hinnehmen.
Das BVerwG hat allerdings darauf hingewiesen, dass die subjektive Gefahreneinschätzung des Soldaten bei der Bewertung des Dienstvergehens eine Rolle spielen kann und dass im vorliegenden Fall im Ergebnis der subjektiven Belastungssituation des Hauptfeldwebels dadurch Rechnung getragen worden ist, dass anders als in sonstigen Fällen der wiederholten Befehlsverweigerung nicht das mit schwerwiegenderen Folgen verbundene gerichtliche Disziplinarverfahren gewählt worden ist.