Das Landgericht Koblenz hat mit Urteil vom 18.07.2024 zum Aktenzeichen 5 O 53/18 die Frage beantwortet, ob Anwohner gegen die Betreiberin eines Windparks und gegen die Gemeinde, die die Fläche, auf der sich der Windpark befindet, verpachtet, Ansprüche wegen vermeintlich störender Immissionen (Reduzierung von Schall und Licht, Schadensersatz, Schmerzensgeld) haben.
Aus der Entscheidung des Monats September 2024 ergibt sich:
Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer und Bewohner einer Immobilie, die sich in ca. 1,4 km Luftdistanz zum nächst gelegenen Windrad des von der Beklagten zu 2. betriebenen Windparks befindet. Die Beklagte zu 2. hat die Fläche, auf der sich der Windpark befindet, von der Beklagten zu 1. (Ortsgemeinde) gepachtet.
Die Kläger behaupteten, dass von den Windenergieanlagen schädliche Umwelteinwirkungen und unzumutbare Beeinträchtigungen hinsichtlich ihres Eigentums ausgehen würden. Der von der TA-Lärm vorgesehene Lärmwert werde nachts im Bereich ihrer Immobilie überschritten. Zudem trete noch im Bereich ihrer Immobilie von den Windenergieanlagen emittierter Infraschall unterhalb von 8 Hz auf, der als Erschütterung wahrnehmbar sei, in die Innenräume gelange und dort zu verstärkten Schalldruckwerten, Brummgeräuschen sowie Schwingungen führe. Hierauf seien wiederum vermehrter Stress, Beeinträchtigungen des Schlafes und sogar Gesundheitsschäden der Kläger zurückzuführen. Eine weitere Eigentumsbeeinträchtigung gehe von dem nachts durch den Windpark hell erleuchteten Himmel aus.
Die Kläger beantragten, die Beklagte zu 2. zu verurteilen, die durch den Betrieb der Windkraftanlagen verursachten benachteiligenden Wirkungen in den Ruhzeiten von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr sowie in den Ruhezeiten von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr dadurch auszuschließen, dass die Anlagen in den benannten Zeiten abgeschaltet werden und dass ausschließlich in den Fällen, in denen sich bei Dunkelheit tatsächlich Flugzeuge nähern, eine Nachtbeleuchtung der Windkraftanlagen erfolgt. Für den Fall, dass dies technisch oder wirtschaftlich nicht möglich sein sollte und dass auch die Störungen nicht anderweitig beseitigt werden können, forderten sie einen Schadensersatz in Höhe von mindestens 10.000 € von den Beklagten als Gesamtschuldner.
Zudem forderten die Kläger für den von ihnen behaupteten Wertverlust ihrer Immobilie von den Beklagten als Gesamtschuldner einen Schadensersatz in Höhe von 21.000 € sowie Schmerzensgeld für die bisher erlittenen Beeinträchtigungen in Höhe von insgesamt 25.500 (17.500 € für den Kläger zu 1. und 8.000 € für die Klägerin zu 2.).
Die Beklagten beantragten Klageabweisung und behaupteten, dass der auf das Grundstück der Kläger einwirkende Schall deutlich unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liege. Nachts sei lediglich ein kurzes Aufblinken der Warnleuchten wahrnehmbar, das jedoch nicht belästigend sei. Etwaige Ansprüche der Kläger seien zudem bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Kläger die Genehmigung – was unstreitig war – nicht angefochten haben. Die Beklagte zu 1. könne als bloße Verpächterin ohnehin nicht verantwortliche Störerin und Schädigerin sein.
Die Entscheidung:
Die 5. Zivilkammer hat die Klage abgewiesen. Sie ist hierbei davon ausgegangen, dass keine wesentlichen Beeinträchtigungen des Eigentums der Kläger im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB vorliegen.
Ein gerichtlich in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die in der TA-Lärm aufgeführten Grenzwerte von 55 dB(A) tagsüber bzw. 40 dB(A) nachts nicht überschritten werden. Der Sachverständige habe hierbei Langzeitmessungen zu mehreren unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen Windbedingungen durchgeführt. Ausweislich des Gutachtens seien die von dem Windpark ausgehenden Geräusche auch nicht als impulshaltig anzusehen, so dass auch auf die gemessenen Lärmwerte kein Zuschlag erfolgen müsse. Dieses Ergebnis decke sich nach Ansicht des Gerichts auch mit dem ursprünglich im Rahmen des Genehmigungsverfahrens eingeholten Immissionsgutachten.
Die durchgeführten Messungen hätten auch keine Überschreitung der Grenzwerte tieffrequenter, akustisch nicht wahrnehmbarer Geräuschemissionen (Infraschall) ergeben. Zudem seien die in der Immobilie der Kläger messbaren tieftonalen Geräusche im gleichen Umfange messbar, wenn die Windenergieanlagen abgeschaltet waren, was eigens zur Überprüfung veranlasst wurde.
Die Beleuchtung der Windenergieanlagen sei nach Auffassung der Kammer von den Klägern hinzunehmen, weil diese zum einen unstreitig dem Stand der Technik entspreche und zum anderen erforderlich sei, um Kollisionen, insbesondere mit Luftfahrzeugen, zu vermeiden. Eine wesentliche Einwirkung auf das Eigentum der Kläger ergebe sich hieraus nicht.
Auch wenn die einzelnen Immissionen jeweils für sich alleine betrachtet keine wesentlichen Einwirkungen auf das Eigentum der Kläger ergeben haben, wurde durch die Kammer sodann noch geprüft, ob eine relevante Wechselwirkung aller Immissionen im Wege einer Gesamtschau zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führe und dies verneint. Insbesondere sei eine von den Klägern behauptete angeblich besonders erdrückende Wirkung bis hin zu einer „Gefängnishofsituation“ bereits angesichts der Entfernung zwischen den Windkraftanlagen und dem Grundstück der Kläger auszuschließen. Die Windräder seien zwar aus allen Perspektiven am Horizont gut sichtbar, führten jedoch nicht zu einer „Abriegelung“ der Wohnbebauung. Es könne dementsprechend dahinstehen, inwieweit das Rücksichtnahmegebot des öffentlichen Baurechts überhaupt zu berücksichtigen sei.
Da keine wesentlichen Beeinträchtigungen durch den Windpark festzustellen seien, seien somit auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld unbegründet.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1. komme noch hinzu, dass diese den Windpark nicht selbst betreibe, sie der Beklagten zu 2. die Errichtung und den Betrieb der Anlagen lediglich im Rahmen der pachtweisen Überlassung gestattet habe und dementsprechend grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass der Betrieb durch die Beklagte zu 2. derart ausgestaltet ist, dass eine Verletzung der Rechtsgüter Dritter ausgeschlossen ist. Eine zumindest fahrlässige Mitverursachung einer Eigentums- oder Gesundheitsverletzung der Kläger i. S. d. § 823 I BGB durch die bloße Verpachtung der für den Windpark genutzten Flächen oder ein anschließendes Unterlassen sei jedenfalls ausgeschlossen, solange keine Anhaltspunkte für etwaige Rechtsverletzungen bestehen.