Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 04. Juli 2019 zum Aktenzeichen 3 C 24.17 entschieden, dass derjenige, der aus religiösen Gründen einen Turban trägt, nicht bereits deshalb von der Helmpflicht beim Motorradfahren zu befreien ist.
Aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 54/2019 vom 04.07.2019 ergibt sich:
Der Kläger beantragte im Juli 2013 bei der Stadt Konstanz die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung, mit der er von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren befreit wird. Die Schutzhelmpflicht nach § 21 a Abs. 2 Satz 1 StVO verletze ihn als gläubigen Sikh in seiner Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG; er sei aus religiösen Gründen verpflichtet, einen Turban zu tragen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5b StVO könne nur aus gesundheitlichen Gründen erteilt werden. Der Widerspruch des Klägers und seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg sind erfolgslos geblieben.
Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Beklagte verpflichtet, über seinen Antrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Beklagte habe verkannt, dass eine Ausnahme auch aus religiösen Gründen in Betracht komme. Eine unmittelbare Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung hat der Verwaltungsgerichtshof dagegen abgelehnt. Die Glaubensfreiheit führe nicht zu einem generellen Überwiegen der Interessen des Klägers gegenüber der ebenfalls grundrechtlich gewährleisteten körperlichen und psychischen Unversehrtheit Dritter, die durch die Helmpflicht geschützt werden solle. Eine Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null komme allenfalls in Betracht, wenn der Antragsteller auf die Nutzung des Motorrads zwingend angewiesen sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall.
Die Revision des Klägers, mit der er über die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung hinaus die Erteilung der Ausnahmegenehmigung erreichen will, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. Die in § 21a Abs. 2 StVO angeordnete Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, kann den Kläger als gläubigen Sikh mittelbar in seiner Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigen. Er wird hierdurch zwar nicht an der Praktizierung seines Glaubens gehindert; bei der Befolgung der von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundenen Pflicht zum Tragen eines Turbans muss er aber auf das Motorradfahren verzichten. Diese Einschränkung ist auch mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen, weil sie anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter dient. Die Helmpflicht soll nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. Sie können durch den Unfalltod oder durch den Eintritt schwerer Verletzungen bei einem nicht mit einem Schutzhelm gesicherten Motorradfahrer traumatisiert werden. Ein durch Helm geschützter Motorradfahrer wird zudem im Fall eines Unfalls eher in der Lage sein, zur Rettung anderer Personen beizutragen, etwa indem er die Unfallstelle sichert, Ersthilfe leistet oder Rettungskräfte ruft. Ein Anspruch auf Befreiung von der Helmpflicht kann daher allenfalls bestehen, wenn dem Betroffenen der Verzicht auf das Motorradfahren aus besonderen Gründen nicht zugemutet werden kann. Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger, der über eine Fahrerlaubnis zum Führen von Pkw verfügt und einen Lieferwagen besitzt, nicht dargelegt.